Gloria Gaynor will keine Feministin sein
Es gibt Lieder, die bleiben Musik, und es gibt welche, die werden zu mehr. »I Will Survive« der Sängerin Gloria Gaynor, 81, entwickelte schnell ein solches Eigenleben. Der Disco-Überhit von 1978 wurde nicht nur zur Hymne der Schwulenbewegung in den Jahren der Aids-Krise, sondern auch zum Soundtrack weiblicher Selbstermächtigung.
»Ich liebe Männer«
Sie werde deshalb oft als Feministin wahrgenommen, sagte Gloria Gaynor nun in einem Interview mit dem Magazin »Metro« . Das sei aber das größte Missverständnis, das über sie kursiere. Für ihr Fremdeln mit der Gleichberechtigungsbewegung lieferte Gaynor auch eine Erklärung mit: »Ich bin mit fünf Brüdern aufgewachsen und liebe Männer« – und zwar solche Männer, die sich ihren Platz nehmen würden, trotzdem die Stärken von Frauen anerkennen könnten und wüssten: »Wir sind Partner und keine Feinde.« Ihre Haltung so offen zu kommunizieren, sei vielleicht »gefährlich«, sagte sie noch. Wobei auch nicht ganz ausgeschlossen ist, dass die Sängerin selbst einem Missverständnis aufgesessen ist. Es soll ja mittlerweile durchaus Feministinnen geben, die Brüder haben und nicht alle Männer hassen.
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Gloria Gaynor gilt als tief religiöse Christin und hatte in der Vergangenheit wenig über die gesellschaftliche Bedeutung gesprochen, die »I Will Survive« zum Beispiel in der queeren Szene beigemessen wird. Angesprochen darauf, sagte sie mal: »Ich bin nicht Teil dieser Community. Darum weiß ich nicht, was sie dort singen. Es ist schwer, Fragen zu etwas zu beantworten, mit dem man nicht vertraut ist.« Fast wie eine Politikerin wand sie sich damals in dem Versuch, sich von einem bestimmten Milieu zu distanzieren, ohne ihre treuesten Fans zu brüskieren.
Der Queen of Disco scheint es heute sogar ein wenig egal, wer ihre Lieder wann hört. »I Will Survive«, sagte sie kürzlich, würde sie heute eher für andere Menschen als für sich selbst singen.