EKD-Flüchtlingsbeauftragter Stäblein: „Man kann ja nicht einfach den Dauernotstand ausrufen“
Bischof Stäblein, wie nehmen Sie als Flüchtlingsbeauftragter der EKD den jüngsten Entscheid eines Berliner Verwaltungsgerichts zur Zurückweisung dreier Asylbewerber wahr?
Er bestätigt das, was wir an dieser Stelle immer gesagt haben. Insofern bin ich nicht überrascht, sondern sehe die Urteile als erneute Mahnung: Wir brauchen europäische Lösungen. Die Welt ist eine Welt, in der Migration dazugehört und in den nächsten Jahrzehnten ganz gewiss dazugehören wird. Wir brauchen also gemeinsame Lösungen, die unserem biblischen Erbe, Auftrag und Miteinander gerecht werden.
Und zum anderen gilt es stets, den Einzelnen zu sehen. Jeder Mensch hat seine Würde vor Gott. Das verbindet Europa, oder zumindest hat es das immer verbunden. Ich finde, wir sollten alles dafür tun, dass das so bleibt. Die Urteile der Gerichte verstehe ich in dieser Linie.
Sie haben gerade Ihre Partner in der lutherischen Kirche Polens besucht. Ist Polen nicht noch viel unnachgiebiger in Sachen Migration?
Die polnischen Geschwister leisten seit dem russischen Überfall eine enorme Hilfe für Menschen aus der Ukraine. Sie sind als Nachbarland viel näher dran und stärker betroffen. Sie stellen sich dem in sehr beeindruckender Weise. Wir brauchen aber auch gute gemeinsame Lösungen, was die Frage der Zurückweisung an den Grenzen betrifft. Wir haben gemeinsame Grenzkontrollen. Es gibt einen guten und intensiven Austausch. So braucht es aus meiner Sicht zwingend gemeinsame Lösungen. Die polnischen Freunde haben relativ zeitig signalisiert, dass sie das deutsche Vorgehen nachhaltig irritiert. Man kann ja nicht einfach den Dauernotstand ausrufen, das wird nicht funktionieren und ist keine Lösung.
Zur Person
Christian Stäblein (57) ist Landesbischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Im April 2022 wurde er vom Rat der EKD zum Beauftragten für Flüchtlingsfragen der EKD berufen. Zudem ist er seit 2022 Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Garnisonkirche in Potsdam. Stäblein setzt sich gegen Antisemitismus und für einen verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen ein.
An diesem Wochenende ist Pfingsten. Was bedeutet Ihnen dieses Fest?
Das Pfingstfest ist das dritte große Fest im christlichen Glauben: Es steht für die Gegenwart des Glaubens und des Heiligen Geistes. Ohne diesen Geist würden wir Christen die Gegenwart Gottes nicht spüren. Im Pfingstfest steckt alles: Hoffen und Glaube erleben. Und deswegen ist Pfingsten so wichtig. Die Bibel erzählt mit diesem Fest von dem Wunder, dass alle die ersten Apostel verstehen konnten, jeder und jede in seiner Sprache. Das macht der Geist, um den es geht: dass wir uns tatsächlich verstehen, dass wir Worte füreinander haben, dass wir Brücken über unser Nichtverstehen hinweg legen und leben.
Derzeit wird vielfach über die Abschaffung von Feiertagen diskutiert. Wäre Pfingsten ein Kandidat? Viele haben ja gar keinen Bezug mehr dazu.
Ich sehe die Debatte mindestens in Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz noch nicht und will sie auch nicht herbeigeredet haben. Ich höre Diskussionen über eine Abschaffung des Feiertags mehr aus anderen Bundesländern, die aber auch mehr Feiertage haben.
Persönlich glaube ich, es tut uns allen gut, diese drei großen Feste mit den zwei Feiertagen – Weihnachten, Ostern und Pfingsten – zu haben. Nicht nur, weil das die wichtigsten Feste des Christentums sind. Ich weiß, dass das für die Mehrheit der Deutschen nicht zentral ist. Aber ich halte es für elementar, Tage zu haben, die wir tatsächlich mit allen teilen, an denen wir nach den Ressourcen, gerade auch den Sinnressourcen, fragen und es möglich ist, einfach mal für die älter werdenden Eltern da zu sein. Ich wundere mich manchmal, wie wir in diesen aufwühlenden Zeiten und inmitten vieler Umbrüche immer wieder meinen, wir könnten auf solche Sinn-Zeiten verzichten.