Kritik an Merz-Regierung: Schweiz hält Zurückweisung von Asylbewerbern für rechtswidrig

Widerspruch für die neue Bundesregierung aus einem weiteren Nachbarland: Nach Polen kritisiert auch die Schweiz die strengeren Regeln für Migranten an den deutschen Landesgrenzen als rechtswidrig. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am Mittwoch wenige Stunden nach seinem Amtsantritt angekündigt, dass die Bundespolizei künftig auch Asylsuchende an der Grenze zurückweisen kann. Ausgenommen sollen bestimmte verletzliche Gruppen wie Schwangere oder Familien mit Kindern sein.

„Systematische Zurückweisungen an der Grenze verstoßen aus Sicht der Schweiz gegen geltendes Recht“, schrieb das Schweizer Justizministerium anschließend auf der Plattform X. Die Schweizer Behörden „prüfen gegebenenfalls Maßnahmen“. 

Durch die Rücknahme der mündlichen Weisung aus dem Jahr 2015 kann und wird die Bundespolizei konsequenter an den Grenzen zurückweisen können.

 Heiko Teggatz, Vorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft

Justizminister Beat Jans habe bereits ein Treffen dazu auf Ministerebene vorgeschlagen. Er hat sich bislang nicht dazu geäußert, wie die Schweiz mit zurückgewiesenen Asylbewerbern umgehen will. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist eine Abstimmung mit den Nachbarländern über alle Maßnahmen vorgesehen. 

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Deutschland hatte die Grenzkontrollen unter anderem zur Schweiz 2023 verstärkt. Dort haben Kontrolleure nach einem Bericht des Senders SRF im vergangenen Jahr rund 10.000 Menschen zurückgewiesen. Eine Sorge der Schweizer ist, dass schärfere Kontrollen das Leben von Pendlern erschweren, die täglich zur Arbeit in die Schweiz fahren. 

Auch in Polen war der deutsche Plan, die Grenzkontrollen auszuweiten und Asylbewerber zurückzuweisen, auf Widerstand von Ministerpräsident Donald Tusk gestoßen. „Deutschland wird in sein Gebiet lassen, wen es will. Polen wird nur in sein Gebiet lassen, wen es akzeptiert“, sagte Tusk bei einer Pressekonferenz mit dem neuen Kanzler Friedrich Merz (CDU).

Wadephul gibt Polen Zusage in puncto Migration

Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) versicherte, dass Deutschland eine Verschärfung der Migrationspolitik nicht gegen den Willen des Nachbarlands Polen durchsetzen wird. „Das werden wir natürlich miteinander besprechen“, sagte Wadephul am Donnerstag im Deutschlandfunk.

Deutschland werde wie von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) angekündigt „Schritt für Schritt“ vorgehen. Schritte würden dabei „bewusst und auch bedacht“ gemacht und „immer in Abstimmung mit europäischen Freunden und Kollegen“.

Die Kernaussage Tusks sei dieselbe wie die Deutschlands, betonte nun Wadephul. „Dass wir eben die EU-Außengrenzen wieder wirklich zu Grenzen machen und dass wir zu einer Kontrolle der Migration nach Europa kommen.“ Dies sei auch „ein ganz breiter europäischer Konsens“. Alle in Europa wüssten mit Blick auf die Migrationsbewegungen, „dass Deutschland hier das Zielland par excellence ist“.

Polen gehöre zu Deutschlands „engsten Partner und Freunden“, sagte Wadephul weiter. In der Migrationsfrage würden demnächst auch die Innenminister „die nächsten Schritte miteinander besprechen“.

Österreichs Innenministerium pochte am Donnerstag auf die Einhaltung des EU-Rechts. Zugleich vermied das vom konservativen Gerhard Karner (ÖVP) geführte Ministerium aber offene Kritik an Deutschland und betonte, man verfolge gemeinsame Ziele in der Asylpolitik. „Österreich begrüßt generell die Bestrebungen Deutschlands im Kampf gegen die Schleppermafia und illegale Migration“, hieß es einem Bericht der Agentur dpa zufolge.

Österreich fordert Einhaltung des EU-Rechts

Weiter hieß es aus dem Innenministerium, Österreich setze auf eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung. Karner habe dazu mit Dobrindt bereits telefoniert.

Gleichzeitig betonte das österreichische Innenministerium: „Wir gehen davon aus, dass sich deutsche Behörden bei allen Maßnahmen, die gesetzt werden, an die europäische Rechtsordnung hält.“ In der Vergangenheit hatte das Ministerium erklärt, dass Menschen, die einen Asylantrag stellen, nach geltendem EU-Recht nicht formlos an der Grenze abgewiesen werden dürfen.

Die frühere Ankündigung aus Wien, dass Österreich deshalb keine von Deutschland zurückgewiesenen Menschen übernehmen werde, wurde am Donnerstag nicht explizit wiederholt.

AfD wirft Merz und Dobrindt Täuschung vor

CSU-Chef Markus Söder begrüßte die neuen Regeln an den deutschen Landgrenzen auf X. „Seit gestern ist die Asylwende in Deutschland eingeleitet worden. Jetzt gilt wieder der alte Zustand, wie vor 2015“, sagte Bayerns Ministerpräsident in einem Video.

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Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, erwartet keine nachhaltigen Veränderungen bei der illegalen Migration. Baumann sagte am Donnerstag in einem Interview mit „Welt TV“ in Berlin: „Das ist wirklich eine große Täuscherei, was jetzt gerade beginnt.“ Der AfD-Politiker weiter: „Merz hat ausdrücklich nicht umgesetzt, was er im Wahlkampf versprochen hatte: Zurückweisung aller Asylmigranten an den Grenzen.“

Die von Dobrindt jetzt erlassene Verfügung an die Bundespolizei betreffe „Kontrollen und Zurückweisung an der Grenze, aber nicht für Asylmigranten“. Zur Begründung verwies Baumann darauf, dass Merz in Polen zugesagt habe: „Es gibt Zurückweisungen an der Grenze für Asylmigranten nur in Abstimmung mit den Nachbarländern.“ Außerdem habe die SPD hier eine rote Linie gezogen. Das sei „im Moment diffus“. 

Polizeigewerkschaft sieht jetzt Rechtssicherheit

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sieht bei den von Dobrindt angekündigten Zurückweisungen an den Grenzen Rechtsklarheit hergestellt. „Durch die Rücknahme der mündlichen Weisung aus dem Jahr 2015 kann und wird die Bundespolizei konsequenter an den Grenzen zurückweisen können“, sagte Heiko Teggatz, Vorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, der „Welt“.

„Durch die Anmeldung der Grenzkontrollen bei der EU durch Frau Ministerin a. D. Faeser greift nationales Recht. Der Paragraf 18 Asylgesetz ist demzufolge einschlägig und schreibt Zurückweisungen zwingend vor.“ Teggatz stellte klar: „Selbstverständlich wird es auch Ausnahmen geben. Beispielsweise bei unbegleiteten minderjährigen Personen.“

Teggatz erklärte zum Prozedere im Grenzgebiet: „Die Bundesrepublik Deutschland hat mit sämtlichen Anrainerstaaten sogenannte Rückübernahme-Vereinbarungen vertraglich geregelt.“ Inhalt dieser Verträge sei auch, ab welchem Zeitpunkt eine Person als eingereist gilt. „Dieses ist erst dann der Fall, wenn die Einreisekontrolle abgeschlossen ist. Auf welchem Hoheitsgebiet die Kontrollstelle liegt spielt dabei keine Rolle.“

Bei einer Zurückweisung werde eine Person folglich an der Einreise gehindert. Sie befinde sich deshalb fiktiv noch im jeweiligen Anrainerstaat. „Eine Absprache bedarf es folglich erst dann, wenn eine Person nach erfolgter Einreise über die ,grüne Grenze‘ zurückgeschoben werden soll. Allerdings sind auch diese Absprachen längst erfolgt und ebenfalls Gegenstand der abgeschlossenen Rückübernahmevereinbarungen.“

Der Polizeigewerkschafter sagte weiter: „Aus meiner Sicht ist die Rechtslage nunmehr endlich klar, und die Bundespolizei kann so verfahren, bis möglicherweise ein Gericht etwas anderes entscheidet.“