Ein Leben auf dem Gipfel: Zum Tod der Biathlon-Olympiasiegerin Laura Dahlmeier

Laura Dahlmeiers Leben war geprägt von Extremen. In der besten Zeit ihrer Biathlon-Karriere war es frustrierend für die Konkurrentinnen, gegen die Frau aus Garmisch-Partenkirchen anzutreten. Über die Loipen lief sie derart schnell, dass sie sich eigentlich nur selbst am Schießstand schlagen konnte – was recht selten passierte.

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Zweimal Olympiasiegerin und siebenmal Weltmeisterin wurde sie in ihrer Karriere, die 2013 mit dem ersten Weltcup-Einsatz begann und nach der Saison 2018/2019 bereits endete – im Alter von nur 25 Jahren. Sie hätte mit Sicherheit noch Jahre zur Weltspitze gehört.

Dass Dahlmeier so früh entschied, ihre Laufbahn als Biathletin zu beenden, lag einerseits daran, dass sie immer fremdelte mit dem Hype rund um ihre Person. Die „Gold-Laura“, zu der sie im Boulevard stilisiert wurde, wollte sie nie sein. Sie pflegte stets eine Distanz, die im Biathlon als der populärsten Sportart der deutschen Wintersportfans nur schwer einzuhalten ist. Als TV-Expertin für das ZDF konnte sie sich ihrem Sport auf eine andere Art und Weise nähern.

Dahlmeier stellte im vergangenen Jahr einen Rekord auf

Unabhängig von einem Sättigungsgefühl im Leistungssport folgte Dahlmeier 2019 auch insofern ihrem Freiheitsgefühl, als sie fortan vielmehr Zeit in der Natur verbringen konnte. Dieser Leidenschaft kam sie nun nach, ohne große Kompromisse eingehen zu müssen.

„Wenn ich was mach, mach ich’s gscheid“, lautete der Titel ihres Buches, das 2023 erschienen ist. Die Botschaft darin lautete auch, dass sie sich nun vollumfänglich ihrem großen Hobby widmet: dem Bergsteigen. „Es ist eine andere Faszination als der Leistungssport. Die Berge sind ein Begleiter für das ganze Leben“, sagte sie in einem Interview mit dem Tagesspiegel im Rahmen der Buchveröffentlichung.

Man muss für sich die Bereitschaft abklären, dieses Risiko einzugehen.

Laura Dahlmeier in einem Interview über das Bergsteigen 2023

Aber auch in den Bergen war sie stets getrieben von extremen Herausforderungen. Schon während ihrer Karriere hatte sie Trainingspausen und kleine Auszeiten dazu genutzt, um anspruchsvolle Gipfel zu erklimmen.

2015, als ihre Biathlon-Karriere so richtig Fahrt aufnahm, kletterte sie über die bekannte Salathé-Route durch die 1000 Meter hohe Granitwand des El Capitan im Yosemite-Nationalpark. Im Sommer 2017 bestieg sie in der peruanischen Cordillera Blanca den Alpamayo (5947 m) über die Südwest-Flanke, die bis 80 Grad steile Eispassagen aufweist.

„Wenn du dann oben auf dem Gipfel angekommen bist, dich umarmst und auf das zurückblickst, was hinter dir liegt, ist das ein unglaublich tolles Gefühl – eine Mischung aus Dankbarkeit, dass man überhaupt an diesem Ort sein darf und dass man es geschafft hat“, sagte die staatlich geprüften Ski- und Bergführerin, die auch Mitglied der Bergwacht war, einmal.

Bei aller Abenteuerlust und der Veranlagung zu außergewöhnlichen Herausforderungen war sich Dahlmeier stets bewusst, mit welchen Risiken ihre Leidenschaft verbunden ist. „Man muss für sich die Bereitschaft abklären, dieses Risiko einzugehen“, sagte sie damals.

Wie ausgeprägt diese Bereitschaft war, zeigte sich im vergangenen Jahr, als sie auf den 6812 Meter hohen Ama Dablam kletterte, der wegen seiner Form auch als „Matterhorn Nepals“ bezeichnet wird. Acht Jahre, nachdem der erste Versuch noch gescheitert war, glückte der zweite Anlauf. Nie zuvor hatte eine Frau diesen Himalaya-Gipfel schneller erreicht als sie (12 Stunden, 1 Minute, 11 Sekunden).

Seit dem Juni dieses Jahres war Dahlmeier mit Freunden im Karakorum-Gebirge in Pakistan unterwegs. Nachdem das Team bereits den Great Trango Tower (6287 Meter) bezwungen hatte, war der Laila Peak mit 6069 Metern an der Reihe. Er liegt in unmittelbarer Nähe zum K2, dem zweithöchsten Berg der Welt.

Kurz vor dem Ziel wurde Dahlmeier von einem Steinschlag erfasst. Wegen der anhaltenden Gefahr und des schwer zugänglichen Geländes konnten die Rettungskräfte zunächst nicht zu der Verunglückten vordringen. In einer ersten Nachricht hieß es noch, dass sie „mindestens schwer verletzt ist“. Am Mittwoch wurde die Hilfsaktion fortgesetzt. Dabei kam die traurige Gewissheit, dass Laura Dahlmeier im Alter von nur 31 Jahren verstorben ist.