„Wenn jemand deinen Namen ruft, ist das großartig“: Die einzigartige Symbiose zwischen Spielerinnen und Fans beim Tennis
Im Publikum ist es mucksmäuschenstill, die Zuschauenden halten den Atem an. Selbst das Aufklappen eines Sitzes im Steffi-Graf-Stadion oder das Knistern einer Tüte Popcorn ist zu hören. Während die Tennisspielerinnen sich keuchend auf den Courts der Berlin Tennis Open duellieren, schauen die Besucher schweigend zu. Erst nach dem Ende eines Ballwechsels bricht lautstarker Applaus aus. Während im Fußball oder Basketball Dauerbeschallung durch die Fans herrscht, gibt es im Tennis mehr Ruhe als Radau.
So auch bei den Berlin Tennis Open, die in dieser Woche mit einem Weltklassefeld auf die Anlage des LTTC Rot-Weiß in Grunewald locken. Viele sind tennisinteressiert, aber nicht unbedingt Fan einer bestimmten Spielerin. „Ich klatsche einfach für die, die gut spielt“, sagt Claudia. Klingt logisch, ist aber leichter gesagt als getan.

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Am Sonntag, beim Qualifikationsduell der Deutschen Ella Seidel gegen Rebeka Masarova aus der Schweiz waren die Sympathien klar verteilt. Viele im Publikum wünschten sich einen Sieg der 20 Jahre alten Hamburgerin, die sich aber letztendlich geschlagen geben musste und es nicht ins Hauptfeld schaffte.
Immer wieder gab es rhythmisches Klatschen, um Seidel zusätzlich anzufeuern. „Natürlich fiebert man hier in Berlin besonders mit der Deutschen mit, aber man klatscht für jeden, der Leidenschaft und tolle Schläge zeigt“, erzählt Claudia und ergänzt. „Es ist außergewöhnlich, was die Spielerinnen leisten, das muss schon gewürdigt werden.“
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Ich versuche voll fokussiert zu sein, aber man spürt trotzdem ganz eindeutig, ob das Publikum für oder gegen dich ist.
Sofia Kenin, Siegerin der Australian Open 2020
Wie viel bekommen die Spielerinnen von dem ganzen Trubel, auf dem Rasen überhaupt mit? „Ich versuche voll fokussiert zu sein, aber man spürt trotzdem ganz eindeutig, ob das Publikum für oder gegen dich ist“, sagt die US-Amerikanerin Sofia Kenin, die sich mit zwei Siegen am Wochenende in der Qualifikation für das Hauptfeld der Berlin Tennis Open qualifizieren konnte.
Gerade weil viele, wie Claudia, nicht wegen einer einzelnen Spielerin da sind, sondern allgemein gutes Tennis sehen möchten, müssen sich die Spielerinnen den Support des Publikums oft erst erarbeiten. „Wenn ich nicht gut spiele und das Publikum gegen mich ist, mache ich mir das zu meinem Vorteil. Es gibt mir extra Motivation. Ich weiß auch, dass die Dynamik auf der Tribüne sich schnell verändern kann“, erklärt die 26 Jahre alte Kenin.
Tagesspiegel Talk bei den Berlin Tennis Open
Von Dienstag bis Freitag wird auf der Anlage des LTTC Rot-Weiß nicht nur großes Tennis gespielt, sondern auch darüber gesprochen. Gleich neben den drei Rasenplätzen gibt es immer um 15 Uhr Gesprächsrunden mit Machern, Promis und Tennisexperten. Am Mittwoch wird zum Beispiel Andrea Petkovic, die Direktorin für Excitement bei den Berlin Tennis Open, Rede und Antwort stehen. Tags darauf gibt Markus Zoecke einen Einblick in seine Arbeit als Turnierdirektor.
Sie hat schon viele Matches vor großem Publikum erlebt. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihr die Zuschauer aus dem größten Spiel ihrer Karriere. 2020 gewann sie in Melbourne die Australian Open gegen die Spanierin Garbine Muguruza. „Das Publikum beim Finale werde ich nie vergessen. Der Support für beide Spielerinnen war ziemlich ausgeglichen, aber im dritten Satz spürte ich eine deutliche Veränderung in der Dynamik, zu meinem Vorteil, das Publikum wollte, dass ich gewinne.“
Auch die Berliner Zuschauer haben Kenin direkt beeindruckt. „Dafür, dass meine ersten beiden Partien hier Qualifikationsspiele waren, gab es viele Besucher und eine tolle Energie von der Tribüne. Wenn jemand in einem schwierigen Moment deinen Namen ruft, fühlt es sich großartig an. Es stört mich nicht, sondern spornt mich an, den nächsten Punkt zu machen.“
Ganz so einfach ist es aber nicht immer. Manchmal beschweren sich die Sportlerinnen, weil eine Bewegung oder ein Zwischenruf im Publikum sie vermeintlich abgelenkt haben soll. Bei den Berlin Tennis Open werden deshalb Zuschauende nur in den Wechsel- oder Satzpausen auf die Plätze gelassen. „Die Ruhe beim Tennis hat auch etwas mit Respekt gegenüber den Spielerinnen zu tun, die sich ja unfassbar konzentrieren müssen“, findet Claudia.
Tennis ist zuallererst ein Austausch zwischen zwei (im Einzel) oder vier Spielerinnen (im Doppel). Und gleichzeitig ist es ein Austausch mit dem Publikum, meist leise, manchmal unglaublich laut.