Mehr als 20 Festnahmen und Verletzte: Berliner Polizei löst Palästina-Protest am Checkpoint Charlie auf

Einige Hundert Menschen haben am Donnerstag am Checkpoint Charlie in Berlin gegen den Gaza-Krieg protestiert und Maßnahmen für ein Ende des Hungers gefordert. Dabei warfen sie Israel einen „Genozid“ an der palästinensischen Bevölkerung vor.

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Am Abend löste die Polizei die Versammlung unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen auf. Ein Polizeisprecher berichtete von neun verletzten Beamten und mehr als 20 Festnahmen. Den Angaben zufolge wurden Polizisten und Einsatzfahrzeuge unter anderem mit Farbe, Flaschen und Eiern beworfen. Sanitäter behandelten auch verletzte Demonstrierende. Wie viele es waren, blieb zunächst unklar.

Protest mit Kochtöpfen: Die Demonstrierenden forderten ein Ende des Hungerns im Gazastreifen.

© dpa/Malin Wunderlich

Der Protest hatte um 16 Uhr begonnen. „Israel lässt Gaza verhungern“, hieß es in einem Aufruf. In der Spitze zählte die Polizei bis zu 300 Demonstrierende an dem historischen Ort, der im Kalten Krieg die Grenze zwischen der westlichen Welt und dem Ostblock markierte. Unter dem berühmten Schild mit der Aufschrift „You are leaving the American sector“ und dem Foto eines sowjetischen Soldaten standen nun Demonstrierende, trommelten auf Kochtöpfen und riefen „Viva, Viva, Palästina!“ oder „From the river to the sea Palestine will be free!“.

Oben das Foto des Sowjetsoldaten, unten die Demonstrierenden mit Palästinensertüchern.

© dpa/Malin Wunderlich

Auf Plakaten waren Parolen wie „Stop Genocide“ oder „Open the Gates“ zu lesen. Auf einem anderen Plakat war eine Palästina-Flagge zu sehen, darüber der Slogan: „Never again is now!“ – eine Anspielung auf das „Nie wieder“ nach dem Holocaust, der systematischen Vernichtung der europäischen Juden im Nationalsozialismus. Eine junge Frau mit umgehängter Palästina-Flagge hielt ein Poster in der Hand: „Israel ist starving children“ – „Israel lässt Kinder verhungern“.

Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen fordern ein Ende der Belagerung des Gazastreifens und Zugang zu den hungernden Menschen. Nach Angaben des Welternährungsprogramms lebt inzwischen ein Viertel der Bevölkerung „unter hungernotähnlichen Bedingungen“. Auslöser des Gaza-Kriegs war das Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023.

Polizei greift sich Rädelsführer und erntet Hass-Parolen

Die Polizei hatte starke Kräfte am Checkpoint Charlie zusammengezogen. In den umliegenden Straßen standen zahlreiche Mannschaftswagen bereit. Nach Behördenangaben waren insgesamt 120 Beamte im Einsatz. Um 17.42 Uhr wurde die Versammlung für aufgelöst erklärt. Daraufhin zogen die Beamten eine Polizeikette von beiden Seiten der Zimmerstraße nach und nach enger und riefen per Lautsprecher dazu auf, den Ort in Richtung U-Bahnhof Kochstraße zu verlassen.

Einige Male zogen Einsatzkräfte Demonstrierende aus der Menge, dabei kam es zu Rangeleien. Vereinzelt zündeten Teilnehmende des Protests auch Pyrotechnik. Es seien „wiedererkannte Radelsführer“ festgenommen worden, die zu Gewalt angestachelt hätten, erklärte ein Polizeisprecher das Vorgehen. Der harte Kern der Demonstrierenden quittierte die Zugriffe mit Rufen wie „Ganz Berlin hasst die Polizei“ oder „Shame on you“.

Gewalt am Touristen-Hotspot

Um 19 Uhr trieb die Polizei die verbliebenen Demonstrierenden von der Kreuzung. Vor dem Wachhäuschen, an dem sich sonst Touristen mit Soldaten-Darstellern fotografieren lassen, setzten sich noch einige Dutzend von ihnen auf die Straße und hakten sich gegenseitig unter.

An der alten Grenze: Zum Schluss verlagerte sich der Rest des Protests zum alten Wachhäuschen am Checkpoint Charlie.

© dpa/Malin Wunderlich

Einsatzkräfte zogen sie schließlich von der Straße und wendeten dabei teilweise Gewalt an. Die Polizei sprach von unmittelbarem Zwang „in Form von Schieben, Drücken und einzelnen Schlagtechniken“. Zu sehen waren jedoch auch Tritte.

Hitzige Atmosphäre: Die Polizei führte einige Demonstrierende ab.

© dpa/Michael Ukas

Zahlreiche Demonstrierende wehrten sich ihrerseits gewaltsam dagegen, weggetragen zu werden. Eine Frau schlug einem Beamten mit einer Tasche auf den Helm. Andere gingen friedlich zur Seite, sobald sie aus dem Menschenknäuel herausgelöst worden waren. Einige Personen hätten versucht, die Festnahmen zu stören und in Teilen zu verhindern, berichtete die Polizei.

Um 19.40 Uhr, zwei Stunden nach dem offiziellen Ende, gingen die letzten Demonstrierenden nach Hause. Wenig später gab die Polizei Zimmerstraße und Friedrichstraße auch wieder für den Verkehr frei.