Therapeutisches Aufräumen

Schon der erste Satz gibt den Geschmack vor, der einem durch den ganzen Roman hinweg auf der Zunge bleiben wird: »Das Zimmer fühlt sich an wie das Innere eines Käsekuchens«, denkt Tierarzthelferin Sylvie über den Gesprächsraum bei ihrer Therapeutin.

Es sind Schrulligkeiten wie diese, mit denen Adelaide Faith in »Happiness Forever« kunstvoll die Verschrobenheit ihrer Protagonistin zeichnet, ohne sie zum crazy Quirkywesen zu verniedlichen oder als komplett abwegig Fühlende zu pathologisieren. Denn Sylvies ganze emotionale Welt ist auf eine Frau projiziert, die ihr nicht gehören kann: ihre Therapeutin.

Aus dieser tragischen Leidenschaft entwickelt Faith keine dramatische Eskalation, sondern ein unaufgeregtes, kluges, stellenweise wirklich komisches Porträt einer emotionalen Fixierung, die einem gleichzeitig absurd und plausibel erscheint.

Denn Glück und Verbundensein kann Sylvie nicht aus sich selbst heraus empfinden, sondern durch den Blick, den sie sich von jemand anderem auf sich selbst erhofft. Es geht ihr nicht um Verführung, nicht um Grenzüberschreitung, sondern um Nähe als inneres Ereignis.

Die Therapiestunde ist ihr einziger sicherer Ort, an dem Sylvie sich bedeutsam fühlen kann, weil sie anderswo das Gefühl hat, keinen Zutritt zur Welt der intakten, erfolgreichen Menschen zu haben.

Sie fühlt sich immer noch unsicher wie damals, als sie sich selbst mit den coolen Mädchen verglich, die die gerade wichtigen Taschen einer bestimmten Marke und die richtigen Fußkettchen und trugen: »Die Mädchen, die sie hatten, sahen damit irgendwie aus wie Tiere in ihrer natürlichen Umgebung. Als wären sie dazu bestimmt, genau dort zu sein, wo sie waren, zu machen, was sie eben machten, genau diese Gestalt anzunehmen, die sie eben hatten.«

Therapie fühlt sich für sie an wie Räumungsarbeiten auf der großen Müllhalde ihrer unglücklichen Gefühle, so beschreibt es Faith, die stilistische Feinarbeiterin und präzise Metaphernchirurgin: lauter unappetitlicher Abfall, den sie in die korrekt beschriftete Säcke sortieren müsse, um ihn final verklappen zu können.

Die Autorin gibt Sylvie nicht der Lächerlichkeit preis, sondern einer Art existenzieller Komik: Sie möchte aufgehoben sein, sich anschließen können, ein wenig wie ein Streunerhündchen, das sich nach einem Zuhause sehnt. Tatsächlich vollführt Sylvie am Ende fast eine Art Tierchen-Cosplay, als sie sich als Outfit für ihre Therapietermine extra eine Kunstpelzjacke kauft.

Wenn dieses Kleidungsstück nur weich genug wäre, so ihr Gedanke, würde die Therapeutin womöglich gar nicht anders können, als sie anfassen zu wollen. Dass Merkwürdigkeiten wie diese einem wie plausible Ideen erscheinen, darin liegt die Schönheit dieses Romans.