»Und dann hat Kika mir privat geschrieben«

Seit 2004 ist das »Kika Baumhaus« eine tägliche Sendung des Kinderkanals, die direkt vor dem Sandmännchen ausgestrahlt wird. Die Kulisse ist als Baumhaus gestaltet. Moderiert wird die Sendung abwechselnd von Juri Tetzlaff und Singa Gätgens. Jeden Abend zeigen sie selbst gemalte Bilder, die sie von jungen Zuschauerinnen und Zuschauern zugeschickt bekommen haben.

Nach eigener Aussage erhält die Redaktion jeden Tag Hunderte Bilder, wovon nur eine kleine Auswahl gezeigt werden kann. Maxim Seehagen hat das »Kika Baumhaus« als Kind jeden Abend geschaut und auch ein Bild geschickt, das aber nicht in der Sendung gezeigt wurde. Bis heute hat er das nicht vergessen und 20 Jahre später einen neuen Versuch unternommen – und damit in den sozialen Medien für Nostalgie gesorgt.

SPIEGEL: Wie fühlt es sich an, nach 20 Jahren endlich selbst gemalte Bilder im »Kika Baumhaus« hängen zu sehen?

Seehagen: Es ist komplett surreal. Vor allem, dass es immer noch von Juri Tetzlaff moderiert wird, demselben Moderator wie damals, das hat das Ganze noch mal besonderer gemacht. Es ist so schön, dass er noch immer diesen Enthusiasmus versprüht.

SPIEGEL: Wie alt waren Sie, als Sie zum ersten Mal ein selbst gemaltes Bild an die Kika-Zuschauerredaktion geschickt haben?

Seehagen: Das war 2004. Ich war damals vier, fast fünf Jahre alt.

SPIEGEL: Was war darauf zu sehen?

Seehagen: Ich weiß es offen gestanden nicht mehr genau. Ich denke mal, das Motiv war wahrscheinlich das Baumhaus selbst. Ich habe das Bild vor 20 Jahren abgeschickt und dann nie wieder gesehen.

SPIEGEL: Weil es nie in der Sendung gezeigt wurde.

Seehagen: Genau. Stattdessen habe ich einen Antwortbrief von der Redaktion bekommen. Da stand mein Name drauf und auch das Kika-Logo und er wurde von jemandem von Kika unterzeichnet. Der Brief war mir so wichtig, dass ich ihn all die Jahre behalten habe. Ich habe ihn vor einiger Zeit in einer Schublade bei meinen Eltern wiedergefunden, zusammen mit alten Kinderbildern.

SPIEGEL: Und dann wollten Sie es noch mal probieren?

Seehagen: Nebenberuflich arbeite ich als Autor und Cartoonist. Vor ungefähr einem Monat hat Kika auf Instagram einen meiner Cartoons gelikt. Ich bin als totales Kika-Kind aufgewachsen und fand es deswegen echt cool. Und dann fiel mir der Brief ein. Es wäre doch lustig, wenn ich es 20 Jahre später erneut probiere. Ich habe darum einfach nur als Joke Bilder gemalt, die halt meiner heutigen Lebensrealität entsprechen, also keine Spielplatzbilder, sondern welche, wo ich zum Beispiel meine Steuererklärung mache. Dann habe ich darüber ein Video gemacht und dachte, die Sache wäre abgeschlossen.

SPIEGEL: Aber das war erst der Anfang.

Seehagen: Das Video hat sich verselbstständigt. Unter den Videos auf Instagram und TikTok haben plötzlich Hunderte kommentiert, dass es ihnen genauso gegangen ist wie mir. Dass ihre Bilder es damals auch nicht geschafft haben. Einige haben auch geschrieben, dass ihr Bild im Baumhaus gezeigt wurde und es damals der schönste Moment in ihrem Leben war.

SPIEGEL: Auf Instagram hat eins ihrer Videos zu dem »Kika-Gate«, wie Sie es nennen, mehr als 1,6 Millionen Accounts erreicht.

Seehagen: Ich war komplett überrascht. Ich dachte nicht, dass so viele diese Erinnerungen an die Sendung verbinden. Und ich wusste, dass ich jetzt etwas machen muss. Weil mir plötzlich ganz viele Erwachsene auch Nachrichten mit Fotos von den Bildern gesendet haben, die sie damals ans »Kika Baumhaus« geschickt haben. Und dann habe ich mich gefragt: Kann ich das jetzt übernehmen? Ich habe ein Video gemacht und eine »Baumhaus-Selbsthilfe« gegründet. Für alle, die es damals nicht geschafft haben.

SPIEGEL: Und wie war die Resonanz?

Seehagen: Es kamen so viele Bilder, mehr als 100. Und die Leute haben sich so viel Mühe gegeben. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, jedem zu antworten und kurz auf das Bild einzugehen. Dann bin ich den Bastelladen gefahren und habe mir Farben und Karton geholt und das »Kika Baumhaus« aus meinem Gedächtnis amateurhaft nachgemalt und das Ganze nachgespielt und mit meinem Handy gefilmt. Dabei habe ich dann Screenshots von den Bildern gezeigt, die mir zugeschickt wurden.

SPIEGEL: Mehr als 23.000 Menschen haben das Video mittlerweile auf Instagram gelikt, auf TikTok mehr als 93.000. Der Instagram-Kanal von Kika hat darunter kommentiert, dass sie es toll finden.

Seehagen: Und dann hat Kika mir auch privat geschrieben, dass sie es witzig finden, und angekündigt, dass sie etwas dazu machen wollen. Aber ich hätte nie damit gerechnet, dass sie ein wirklich eigenes Social-Media-Video am Original-Set mit Moderator Juri drehen und meine Bilder zeigen werden. Er hat mir auch noch mal geschrieben und ist mir bei Instagram gefolgt.

SPIEGEL: Ihre Bilder haben es doch noch ins »Kika Baumhaus« geschafft.

Seehagen: Das hat mich echt berührt. Als ich das Video von Kika gesehen habe, war ich gerade in Spanien auf einem Feldweg und hatte super schlechtes Internet und musste immer weiterfahren, damit das Video lädt. Es war sehr aufregend.

SPIEGEL: In dem Video zeigt die Redaktion auch einen Blick hinter die Kulissen.

Seehagen: Sie haben gesagt, dass sie jeden Tag bis zu 600 Bilder bekommen. Und ich habe gemerkt, wie sich die Redaktion vom »Kika Baumhaus« fühlen muss, weil ich selbst mit dem Antworten kaum noch hinterherkam.

SPIEGEL: Haben Sie durch die Aktion viele neue Follower gewonnen?

Seehagen: Ich hatte davor ungefähr 28.000 Follower, jetzt sind es 31.000. Ich kann auf Social Media noch gar nicht so richtig einschätzen, ob die Leute einem dann für die Aktion folgen oder weil sie auch die anderen Sachen, wie meine Cartoons und meine Comedy, cool finden. Vielleicht kann ich in ein paar Wochen bessere Auskunft darüber geben.

SPIEGEL: In einem Ihrer ersten Videos haben Sie gesagt, dass Sie seit 20 Jahren Cartoons malen, um die Enttäuschung über das nicht gezeigte Bild zu verarbeiten, stimmt das?

SPIEGEL: Ich habe immer gern gezeichnet. Wenn Leute fragen: »Wann hast du angefangen zu zeichnen?«, passt eine Antwort von Cartoonist Joscha Sauer gut: »Wann habt ihr aufgehört?« Denn als Kind malen wir alle, nur die meisten hören irgendwann auf. Aber ich habe weitergemacht, weil ich Cartoons und Comics schon immer geliebt habe.

SPIEGEL: Sie arbeiten mit Joscha Sauer und auch Ralph Ruthe zusammen. Wie kam das?

Seehagen: Auch über Social Media. Sie haben meine Cartoons gesehen und mich einfach angeschrieben.

SPIEGEL: Sie haben bereits ein zweites Video mit selbst gemalten Bildern veröffentlicht, wie lange soll die »Baumhaus-Selbsthilfe« weitergehen?

Seehagen: Ich will keine Prognose stellen, denn die ganze Nummer zeigt, dass man nicht in die Zukunft schauen kann. Ein Video will ich auf jeden Fall noch drehen, denn es sind noch sehr viele Bilder in meinem Postfach. Aber das Video von Kika, die Antwort von Juri, ist eigentlich der perfekte Abschluss. Am Ende ist es einfach eine schöne kleine Internetgeschichte.

Maxim Seehagen ist nebenberuflich Autor, Cartoonist und macht Comedy

Foto: Florian Spieker