Claus Peymann ist tot

Claus Peymann ist nach langer, schwerer Krankheit in Berlin-Köpenick gestorben. Das teilte die frühere Geschäftsführerin des Berliner Ensembles, Miriam Lüttgemann, der Deutschen Presse-Agentur mit. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.

Erst im Juni hatte Peymann, Regisseur und frühere Intendant zahlreicher Bühnen, seinen 88. Geburtstag gefeiert.

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte Peymann via social Media  als »großen Zauberer des Theaters«. Er habe »auf den deutschsprachigen Bühnen nicht nur Theatergeschichte, sondern Geschichte geschrieben«.

Peymann gilt als einer der wichtigsten deutschen Theaterintendanten und Regisseure. Nach Stationen in Stuttgart und Bochum leitete er zunächst von 1986 bis 1999 das Wiener Burgtheater. Danach ging er wieder nach Deutschland, wo er am Berliner Ensemble eine Ära prägte. Vom berühmten Brecht-Theater am Schiffbauerdamm verabschiedete er sich 2017 mit einer kämpferisch antimilitaristischen Inszenierung von Kleists »Prinz Friedrich von Homburg«.

Im Jahr zuvor hatte sich Peymann im SPIEGEL-Gespräch als »aufgeklärten Monarchen« bezeichnet. Es ging um die Frage von Mitbestimmung im Theater. Für ihn habe sich gezeigt, dass Kunst immer im Widerspruch zur Demokratie stehe, sagte Peymann. »Kunst ist immer eine Einzelentscheidung.«

Als Intendant übte Peymann einen prägenden Einfluss in der deutschsprachigen Theaterlandschaft aus. Seine Inszenierungen provozierten Skandale, die Theatersäle waren voll, und er mischte sich in viele Debatten ein. Manche warfen ihm Eitelkeit und einen despotischen Charakter vor. Er selbst bezeichnete sich einst als »schwierigen Menschen« und »nicht harmonisch«. Der SPIEGEL nannte ihn den »letzten aufrechten Despoten«.

»Publikumsbeschimpfung« 1966 in Frankfurt

Im Jahr 1966 wurde Peymann als Oberspielleiter am Theater am Turm (TAT) in Frankfurt am Main durch die Uraufführung von Peter Handkes »Publikumsbeschimpfung« überregional bekannt. Im Jahr 1977 kam es in Stuttgart zu heftigen Diskussionen, weil Peymann als Schauspieldirektor an den Württembergischen Staatstheatern einen Spendenaufruf für die Zahnbehandlung der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin aushängen ließ. Das kam bei seinen Vorgesetzten nicht gut an.

1979 übernahm er die Intendanz des Schauspielhauses Bochum, wo Ende 1979 die Uraufführung von »Bambule« unter dem Titel »Fürsorgezöglinge« stattfand. Als er sich 1981 mit Jugendlichen solidarisierte, die ein leeres Fabrikgebäude besetzten, eckte er erneut im Politikbetrieb an; seine Vertragsverlängerung verlief im Sande und erledigte sich dann durch seine Berufung ans Wiener Burgtheater 1986.

Am Wiener Burgtheater ließ Peymann die 400 Premierenkarten für Privilegierte streichen. Publikum und Kritik feierten seine Shakespeare-Inszenierungen »Richard III.« (1987) und »Der Sturm« (1988). Mit modernen Theaterstücken provozierte er hingegen wiederholt. Die Inszenierung von Thomas Bernhards »Heldenplatz« zum 100-Jahr-Jubiläum der Eröffnung des Theaters im Jahr 1988 löste einen der größten Theaterskandale in der Geschichte Österreichs aus – und avancierte in der Folge zum absoluten Kassenschlager.

Konflikte in Wien

Doch auch der Erfolg beim Publikum änderte nichts daran, dass politische Anfeindungen und Peymanns Konflikte mit dem Stammensemble der Burg um Arbeitsbedingungen und die »spezifisch österreichische Theaterkultur« dafür sorgten, dass sein Verhältnis zu Teilen der österreichischen Öffentlichkeit und der Wiener Presse zerrüttet blieb. Zu seinem Abschied 1999 sagte er dem SPIEGEL: »Das Theater muss die Mächtigen kontrollieren, damit die Bäume nicht in den Himmel wachsen, aus dem dann die Bomben regnen.«

1999 wechselte er als Nachfolger von Heiner Müller ans Berliner Ensemble, die er als »Reißzahn im Regierungsviertel« bezeichnete. 2007 kam es zu einem Streit mit dem Dramatiker Rolf Hochhuth, nachdem Peymann dem inhaftierten Ex-RAF-Terroristen Christian Klar einen Praktikumsplatz als Bühnentechniker angeboten hatte. Hochhuth warf Peymann überdies regelmäßig vor, seine Stücke nicht oder zu selten aufzuführen. Auch nach seiner Berliner Zeit blieb Peymann aktiv und inszenierte Stücke von Eugène Ionesco und Thomas Bernhard, vor allem in Wien, aber auch an anderen Orten.

Peymann war mit Barbara Siebentritt verheiratet und hatte mit ihr einen Sohn, Anias, geboren 1970. Er lebte getrennt von seiner Frau in einer Villa in Berlin-Köpenick mit seiner Lebensgefährtin, der Dramaturgin Jutta Ferbers. 2019 erkrankte er an einer Hirnhautentzündung und lag monatelang auf der Intensivstation eines Wiener Krankenhauses. Nach dieser Zeit musste er erst wieder gehen lernen.

Claus Peymann 2022 im Berliner Renaissance Theater

Foto: Jens Kalaene / dpa