Keine neuen Unterkünfte für Geflüchtete?: Diese Entscheidung kostet Berlin Millionen – und ist schlecht für die Integration

Niemand kann in die Glaskugel blicken. Wie viele Geflüchtete werden in den kommenden Wochen und Monaten nach Berlin kommen, wie viele werden bleiben – und wie viele davon benötigen eine Unterkunft? Keiner kann es wissen, deswegen ist die Planung für die Unterbringung geflüchteter Menschen eine große Herausforderung für die Verwaltung: Sie muss etwas planen, das nur schwer planbar ist. Und doch zeichnen sich dabei absehbare Fehler ab.

Der Berliner Senat hatte sich 2023 auf den Weg gemacht, aus dem ständigen Krisenmodus herauszukommen. Stattdessen sollte es eine langfristige Planung für die Schaffung neuer Unterkünfte geben – in enger Abstimmung mit den Bezirken. Alle Beteiligten sollten einbezogen werden.

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Deswegen wurde die Senats-Taskforce mit allen mit dem Thema befassten Senatorinnen und Senatoren gegründet. Deswegen wurde das Thema in der Senatssitzung und im Rat der Bürgermeister zum ständigen Besprechungspunkt erklärt. Deswegen wurde auch Berlins bewährter Krisenmanager Albrecht Broemme gerufen, um in den schwierigen Gesprächen zwischen Bezirken und Senat zu verhandeln.

Im März 2024 beschloss der Senat, 16 dezentrale Container-Standorte in verschiedenen Bezirken zu bauen. Anderthalb Jahre später ist von dem Ziel, in dieser Frage Handlungsfähigkeit und Einigkeit zu beweisen, nicht mehr viel übrig.

Zwar beschloss die Koalition aus CDU und SPD kürzlich gemeinsam, den Bau der neuen Container-Unterkünfte nicht weiterzuverfolgen. Doch im Hintergrund geht der Streit darüber weiter, wie der denkbar vage formulierte Beschluss auszulegen sei.

Während der Bau neuer, kleinerer Unterkünfte abgesagt wurde, werden die teuersten Unterkünfte weiter genutzt und ausgebaut: die Notunterkünfte an den ehemaligen Flughäfen in Tegel und Tempelhof. Auch Hotels und Hostels werden weiter angemietet. Sie sind meist doppelt so teuer wie reguläre Unterkünfte.

Widerstand gegen zahlreiche neue Standorte in der CDU

Das ist nicht nur eine finanzielle Belastung für die angespannte Berliner Haushaltslage. Es ist auch schlecht für die geflüchteten Menschen und ihre Integration. In Großunterkünften, teils fernab von einer Nachbarschaft wie in Tegel, können Bewohner kaum in Kontakt mit dem sozialen Leben in Berlin kommen.

Die Sozialdemokraten machen für die kürzlich getroffene Entscheidung die CDU verantwortlich. Richtig ist, dass es innerhalb der CDU-Fraktion erheblichen Widerstand gegen zahlreiche Standorte für neue Unterkünfte gab. Die Abgeordneten wollen keine Unterkünfte in ihren Wahlkreisen, sie fürchten den Widerstand und Ärger der Anwohnerschaft.

Und sie fürchten um ihre Wählerstimmen. Manch eine Bürgerinitiative gegen die Unterkünfte drohte auch wenig subtil damit, dass die AfD in der Nachbarschaft deutlich zulegen würde, sollte eine neue Unterkunft für Geflüchtete kommen.

War die SPD-geführte Sozialverwaltung transparent genug?

Statt Vorteile dezentraler Unterkünfte zu erklären – sie kosten die Allgemeinheit weniger und sind besser für die Integration – geben die Abgeordneten lieber Mittel frei, um teure Notunterkünfte zu finanzieren, möglichst weit weg von ihren Kiezen.

Aus der CDU wiederum heißt es, die SPD-geführte Sozialverwaltung habe nicht gut genug kenntlich gemacht, warum sie wann welche Unterkunft benötige. In der Tat darf die Frage gestellt werden, ob die Sozialverwaltung ihre Prognosen und Planungen transparent genug mit dem Koalitionspartner geteilt hat.

Von diesen Partei-Querelen unberührt verrät der Blick in die Zahlen: Die Unterbringung wird eine Herausforderung bleiben, auch wenn die Anzahl neu ankommender Geflüchteter geringer wird. Rund 38.000 Menschen leben in Unterkünften des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF).

Etwa 13.500 von ihnen, also über ein Drittel, dürften längst – weil ein Aufenthaltstitel vorliegt – eine eigene Wohnung beziehen. Doch weil die Betroffenen keinen bezahlbaren Wohnraum finden, bleiben sie weiter in den Unterkünften. Deswegen benötigt Berlin weiterhin neue Plätze, auch wenn die Ankunftszahlen zurückgehen.

Für Berlin ist es schlecht, dass der Senat das Thema im Wahljahr 2026 offenbar nicht anfassen will. Die Chance auf eine gesamtstädtische, mit den Bezirken abgestimmte Planung wurde vertan. Das geht auf Kosten des Landeshaushalts – und einer besseren Integration der Betroffenen.