Britische Medien bei Wimbledon erbarmungslos: Emma Raducanu will doch nur Tennis spielen
Ob irgendetwas an den Gerüchten dran sei, wurde Emma Raducanu am Sonnabend gefragt, als die Pressekonferenz vor ihrem Wimbledon-Auftakt dem Ende entgegenging. Gemeint war natürlich das Thema des Tages: die vermeintliche romantische Beziehung, die manche zwischen der britischen Spielerin und ihrem Doppelpartner Carlos Alcaraz wittern. „Wir sind nur gute Freunde“, stellte sie klar.
Dabei wäre es Raducanu zu wünschen, dass sie irgendwann wirklich nur über Tennis sprechen dürfte. Rein sportlich hat sie schließlich genug Herausforderungen zu bewältigen.
Wir sind nur gute Freunde.
Emma Raducanu über ihre Beziehung zu Carlos Alcaraz.
Beim Londoner Grand-Slam-Turnier, das diese Woche beginnt, ist sie der bekannteste britische Name im Startfeld und trägt damit die Hoffnungen einer ganzen Nation auf ihren Schultern. Hinzu kommen die vielen Verletzungsprobleme, die sie seit dem sensationellen US-Open-Sieg 2021 nicht mehr loslassen.
Doch wie man in diesen Tagen erneut gesehen hat, wird es bei dieser Spielerin wohl nie nur beim Sport bleiben. Schon seit ihrem Durchbruch als Teenager wird Raducanu nicht nur als Profisportlerin wahrgenommen, sondern als öffentliche Figur. Mit nur 22 ist sie mit den Tücken von Ruhm und Erfolg bestens vertraut – und damit auch mit der ganzen Bandbreite an Misogynie, die das Unterhaltungsprodukt Profisport zu bieten hat.
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Die Gerüchte um ihre Beziehung mit Alcaraz – die weltweit, übrigens auch in dieser Zeitung, für Schlagzeilen gesorgt haben – sind dabei nur das harmloseste Beispiel. Ob man Alcaraz – oder irgendeinen anderen männlichen Spieler – mit so viel Selbstverständlichkeit nach dessen Liebesleben fragen würde, darf bezweifelt werden. Immerhin konnte Raducanu darüber noch lachen. Denn in den letzten Wochen und Jahren hat sie deutlich Schlimmeres erlebt.
Ein Mann lauerte ihr wochenlang auf
So wurde ihre Vorbereitung auf Wimbledon von einem erschreckenden Stalking-Fall überschattet. Im März musste Raducanu ein Spiel in Dubai unter Tränen abbrechen, weil sie einen Mann im Publikum erkannte, der ihr wochenlang aufgelauert hatte. „Ich konnte kaum atmen“, sagte sie danach. Wochen später berichtete sie, dass sie seitdem ständig über die Schulter blicke, wenn sie das Haus verlasse.
Vor diesem Hintergrund kündigten die Wimbledon-Organisatoren in diesem Jahr erhöhte Sicherheitsmaßnahmen an – mit Erfolg. Vor einigen Wochen tauchte der Name von Raducanus Stalker erneut auf der Liste für die Ticketverlosung beim Traditionsturnier auf. Der Eintritt konnte ihm in letzter Minute noch verweigert werden.
„Die Organisatoren von Wimbledon haben einen super Job gemacht. Ich wurde informiert, die Polizei hat mich kontaktiert und mir versichert, dass alles in Ordnung ist“, sagte Raducanu vergangene Woche im Interview mit der BBC. „Ich weiß, dass ich nicht die erste Athletin bin und auch nicht die letzte Frau sein werde, die so etwas erleben muss.“
Tatsächlich ist Raducanu bei Weitem nicht das erste oder einzige Stalking-Opfer im Frauentennis. Oft geht das auch in extreme Richtungen – etwa bei der Messerattacke auf die US-Amerikanerin Monica Seles 1993 oder den Morddrohungen, die Spielerinnen wie Raducanus Landsfrau Katie Boulter im Netz erhalten.
Doch selbst wenn alles im legalen Rahmen bleibt, kann das Rampenlicht toxisch sein. Auch dafür ist Raducanu ein Paradebeispiel. Als sie mit 18 Jahren ihren ersten Grand-Slam-Titel gewann, folgte ihr öffentlicher Status in Großbritannien einem bekannten, traurigen Muster. Zuerst wurde sie von der immer noch männlich geprägten Boulevardpresse auf fast lüsterne Weise als Schönheit der Nation gefeiert. Später wurde sie wegen der vielen lukrativen Werbedeals als verwöhntes Kind abgestempelt.
Schon 2022, ein Jahr nach ihrem Sieg in New York, nahmen andere aus der Tenniswelt sie in Schutz. „In England ist es noch schwieriger als in den USA, ein Superstar zu sein“, sagte damals die 18-fache Grand-Slam-Siegerin Chris Evert bei Eurosport. „Die Boulevardpresse lagert täglich vor deiner Tür – es ist brutal. Emma geht großartig damit um: Ihre oberste Priorität ist immer das Tennis, und sie arbeitet hart.“
Diese harte Arbeit zeigt sich seither auch auf dem Platz. Nach dem Triumph bei den US Open fiel Raducanu zwischenzeitlich sogar aus den Top 100 der Weltrangliste. Mittlerweile ist sie wieder auf Platz 40, seit Monaten geht es kontinuierlich bergauf.
Mit Verletzungen hat sie jedoch weiterhin zu kämpfen. Vor zwei Wochen musste sie einen geplanten Auftritt bei den Berlin Tennis Open wegen Rückenproblemen absagen, und erst vor wenigen Tagen schied sie bereits in der zweiten Runde des WTA-Turniers in Eastbourne aus.
Auch deshalb dämpft sie selbst die Erwartungen an sich vor dem bevorstehenden Grand Slam in London. „Ehrlich gesagt erwarte ich dieses Jahr nicht viel von mir. Ich musste zuletzt mit vielen Dingen klarkommen, deshalb will ich es diesmal einfach genießen“, sagte sie am Sonnabend.
Doch vielleicht ist es trotzdem der nächste Schritt in ihrem langwierigen Kampf, sich an der Weltspitze zurückzumelden. Und damit vielleicht auch ein Schritt hin zu einer Welt, in der ihr Tennis einfach für sich spricht.