Wie der Vater, so der Sohn

Warum trägt »Die nackte Kanone« eigentlich diesen seltsamen Titel? Im Reboot der Komödienreihe, die Anfang der Achtzigerjahre mit einer Fernsehserie begann und in drei Kinofilmen ihre Fortsetzung fand, gibt es nun endlich eine Antwort auf diese Frage.

Gleich in der ersten Szene richtet Hauptdarsteller Liam Neeson Zeigefinger und Daumen seiner rechten Hand auf einen Mann und tut so, als drückte er ab. Das Geräusch eines Schusses donnert durch den Raum, der Mann geht zu Boden. Nackter kann eine Kanone nicht sein.

Selten waren die Erwartungen an ein Reboot so hoch wie an dieses. Die drei Kinofilme über den schusseligen und begriffsstutzigen Cop Lieutenant Frank Drebin fanden zwischen 1988 und 1994 allein in Deutschland rund zehn Millionen Besucher und machten ihren Hauptdarsteller Leslie Nielsen zum Star. Viele Fans der Reihe können Dialoge aus den Filmen im Schlaf herunterbeten.

Sie stammen von Pat Proft, dem Brüderpaar David und Jerry Zucker und Jim Abrahams. Die drei Letzteren, kurz ZAZ genannt, waren Spezialisten für Genreparodien. Sie machten sich liebevoll und mit anarchischem Humor über Fernsehkrimis, James-Bond-Filme oder auch Kassenschlager der damaligen Zeit her. Sie verbanden Wortwitz mit Slapstick, Lakonie mit Hysterie. In jeder Minute sollte es drei Lacher geben, so die Devise des ZAZ-Trios. Ein Trommelfeuer sollte auf die Zuschauer niedergehen, und wenn mal ein Schuss im Rohr krepierte oder danebenging, war’s nicht schlimm. Der nächste saß dann wieder.

Dass nun Liam Neeson statt des 2010 verstorbenen Nielsen in die Hauptrolle des tumben Polizisten schlüpft, wirkt zunächst wie ein ziemlich großes Handicap. Schließlich verkörperte der 73-Jährige in den vergangenen Jahren vorrangig Männer, die keinen Spaß verstehen. Der Schauspieler, der 1994 für die Rolle des Philanthropen Oskar Schindler in Steven Spielbergs Holocaust-Drama »Schindlers Liste« eine Oscarnominierung erhalten hatte, war in brutalen Thrillern zu sehen und wurde zu einer Art Rachegott des Weltkinos. Mal wurde in seinen Filmen die Tochter entführt, mal die Frau, dann wieder wurde sein Sohn von einem Drogenkartell ermordet. Neesons Figuren hatten immer eine Rechnung offen, die sie blutig beglichen. Nahm Neeson auf dem Fahrersitz eines Schneepflugs Platz, war der Schnee todsicher irgendwann rot.

Bewährtes Muster

Rache mag vielleicht manchmal süß sein. Aber ist sie auch witzig? Passt sie zum unbeschwerten Klamauk, für den »Die nackte Kanone« steht? Die Bösewichte in den früheren Filmen waren meist Pappkameraden, die man auch mit Platzpatronen umpusten konnte.

Akiva Schaffer, 47, Regisseur und Co-Autor des Reboots, nutzt Neesons Overkillpotenzial geschickt. Bei einem Banküberfall gleich zu Beginn des Films sieht sich Neeson als Frank Drebin Jr. einer Vielzahl von Fieslingen gegenüber. Als einer ihm eine Pistole vors Gesicht hält, beißt er einfach ein Stück vom Lauf der Waffe ab, als wäre es ein Schokoriegel.

Schaffer nimmt Neesons Image als knallharter Bursche auf und überzeichnet es ins Groteske. Er lässt seinen Star mit der gleichen stoischen Miene wie in seinen Thrillern durch den Plot des Films stapfen und stolpern. Was diese Performance allerdings auch bewirkt: Man kann ihn nicht so leicht ins Herz schließen wie den grundsympathischen Nielsen.

Die Story folgt dem bewährten Muster: Wie schon sein Vater hat auch Drebin Jr. ständig Ärger mit seiner Chefin (diesmal von CCH Pounder gespielt), gerät in eine aberwitzige Verschwörung und verguckt sich in eine undurchschaubare Schönheit (Pamela Anderson). Und auch bei den Gags bleibt der Film seinen Vorgängern treu.

Zum Beispiel dieser: Der letzte Film mit Nielsen kam vor über 30 Jahren ins Kino und seitdem ist viel passiert. Das Zeitalter des autonomen Fahrens hat begonnen. Für die Menschen in Los Angeles, die stets um ihr Leben fürchten mussten, sobald sich Drebin ans Steuer eines Wagens setzte, könnte das eine gute Nachricht sein. Doch schon als Drebin Jr. seinen selbstfahrenden Wagen startet, sorgt er für totales Chaos.

Das Reboot, das ab dem 31. Juli im Kino zu sehen ist, ist eine Verbeugung vor den Originalen. Wie Drebin Jr. sind auch andere Mitglieder seiner Einheit die Söhne von Figuren aus den früheren Filmen. Einmal knien sie nebeneinander vor den Bildern ihrer Väter und erweisen diesen die Ehre. Nur einer der Söhne hält inne, blickt in die Kamera und schüttelt den Kopf: Moses Jones in der Rolle des Nordberg Jr.

Der Darsteller seines Vaters war der frühere, 2024 verstorbene Footballstar O.J. Simpson, der 1994 wenige Monate nach seinem letzten Auftritt in den »Nackte Kanone«-Filmen in Verdacht geriet, seine Frau ermordet zu haben. Zwar wurde er im Strafprozess freigesprochen, 2008 allerdings wegen Raubüberfall und Geiselnahme zu 33 Jahren Haft verurteilt. Immer wieder gibt es im neuen Film solche kleinen selbstreferenziellen Anspielungen.

In erster Linie scheint Schaffer die vielen »Nackte Kanone«-Fans zufriedenstellen zu wollen, die sich nach einem neuen Film gesehnt haben. Er versetzt sie in eine Zeit zurück, in der sie für jeden noch so albernen Scherz zu haben waren und sich selbst über pennälerhafte Anzüglichkeiten prächtig amüsieren konnten. Er ist auf charmante Art pubertär.

Gleichzeitig greift er ab und zu schwerere Themen wie #MeToo oder Rassismus auf und setzt kleine, böse Pointen. Auch wenn der Film an das Tempo und die Dichte seiner Vorgänger nicht heranreicht, hat er sehr lustige und originelle Szenen. Um wirklich auf der Höhe der Zeit zu sein, hängt er allerdings einen Tick zu sehr an der (eigenen) Vergangenheit.

Szene aus »Die nackte Kanone«: Wortwitz und Slapstick, Lakonie und Hysterie

Foto: Paramount Pictures

Darstellerin Anderson, Darsteller Neeson: Totales Chaos

Foto: Frank Masi / Paramount Pictures

Szene aus »Die nackte Kanone«: Verbeugung vor den Originalen

Foto: Paramount Pictures