Comedy im Kühlschrank und Promis hinterm Tresen: Rapper Mc Fitti hat in Berlin den „Superspäti“ eröffnet
Mittwochabend in der Prenzlauer Allee, die Sonne spiegelt sich im Schaufenster des Spätis. „Fußmatte + Bockwurst 10 Euro“, steht draufgesprayt. „Ist aber schon ausverkauft“, wird MC Fitti später sagen – die gut 100 Matten, alle weg.
Spätis sind Berliner Kulturgut. Seit einigen Jahren hat das KaDeWe einen in der sechsten Etage. Gerade erst hat ZDFneo eine Späti-Serie abgedreht. Selbst Kiosks in süddeutschen Kleinstädten nennen sich mittlerweile so.
Und seit Ende letzten Jahres hat der Rapper MC Fitti einen eigenen – den „Superspäti“, in dem es außer kuriosen Angeboten auch Veranstaltungen gibt. Da war der Archive Sale vom angesagten Sneakershop Overkill (daher die Fußmatten), ein anderes Mal legte ein DJ im Schaufenster auf. Auch Wilson Gonzalez Ochsenknecht stand schon hinterm Tresen.

© Julia Schymura
Was ist es, dass den Späti popkulturell immer noch – oder: gerade wieder – so relevant macht?
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Und: Warum macht MC Fitti – eigentlich doch Rapper – jetzt einen auf?
Bekannt geworden mit „30 Grad“
Na ja, eigentlich, sagt MC Fitti, sei er ja professioneller Spätiabhänger, und das seit Jahrzehnten. Und eigentlich wollte er auch schon vor 15 Jahren einen eigenen Späti haben, „aber da war ich noch zu jung, da wäre ich selbst mein bester Kunde gewesen.“
MC Fitti – bürgerlich Dirk Witek – ist 2012 mit seinem Song „30 Grad“ bekannt geworden. Ein Rapsong mit 80er-Jahre-Miami-Vice-Vibe. Sein Album „Geilon“ landet ein Jahr später auf Platz zwei der deutschen Albumcharts. Musik, die sich als Entertainmentmukke und Konfettirap beschreiben lässt, bei der man nie so richtig weiß, wie ernst sie genau gemeint ist.
Eine Spätiautorität
Schon seine erste Tour heißt „Besser späti als nie“. Sein Song „Spätkauf“ katapultierte in den frühen 2010ern „cornern“ in den Sprachgebrauch deutscher Millennials. „Pack den Song in den Ghettoblaster und dreh’ auf“, rappt er da, „alle meine Homies treff’ ich heute am Spätkauf. Jeden Tag cornern von früh bis späti, häng’ am Späti, häng’ am Späti.“
Eigentlich, könnte man also sagen, ist MC Fitti so was wie eine Spätiautorität.
Jetzt sitzt er in der Ecke seines Ladens auf einer Bank aus Peroni-Bierkisten, vor ihm ein in Alufolie eingepackter Dürüm, so richtig viel Zeit hat er nicht, gleich muss er beim Aufbau helfen – jeden Mittwoch gibt es hier Comedy Open Mic. Zwischendurch fährt ein Junge Skateboard zwischen Kühlschränken, „ein bisschen wie Vereinsheim hier“, sagt Managerin Saskia, die die Kasse übernimmt, während MC Fitti über die popkulturelle Macht des Spätis philosophieren soll.
Superspäti
Prenzlauer Allee 189, 10437 Berlin Veranstaltungskalender auf Instagram (@spaeti_vacation)
„Ich glaube, in erster Linie freuen sich alle, dass sie im Späti billig saufen können.“ Der Späti – einfach ein Treffpunkt – mit günstigem Bier oder Rotkäppchen-Sekt, den man direkt auf der Plastikbank davor trinken kann. Und so genau könne er das auch gar nicht beschreiben, sagt MC Fitti. „Ich mach’s einfach, ich fühl’s einfach.“
Aber klar: Gerade jetzt, mit Tiktok, sei es auch einfach eine lustige Kulisse. Die Kühlschränke: mit Bier, bunter Limo, Cocktailbomben, seinem eigenen Merch. Die Regale hinter der Kasse: mit Vogue-Zigaretten, Grindr, WD-40-Multifunktionsspray, Bockwürsten im Glas, rosa Vibratoren. Letztere vielleicht noch vom Valentinstagsangebot, das er auf dem Instagramaccount „spaeti_vacation“ geteilt hat. Moncherie und „Satisfyer“ für 69 Euro, also „so circa ‘ne“, sagt er da in die Kamera.
Durch die Geheimtür
Gegen kurz vor halb acht wird es voll vorm Superspäti. Niko Wieczorek, der Gastgeber vom Comedy Open Mic, steht am Eingang. Begrüßt hier und da mit Handschlag und Namen, ein paar Stammkunden sind gekommen, viele sind auch zum ersten Mal hier. Aus entfernten Ecken Berlins oder nur eine Straße weiter, ein paar sind Touristinnen, aus Bremen. „Ihr wisst, wo ihr hinmüsst?“, fragt er. „Einmal durch den Kühlschrank hinten durch.“

© Julia Schymura
Wie Niko sich diese nicht endende Faszination am Späti erklärt? „Berlin ist für viele ja so: arm, aber sexy.“ Und genau das, sagt er, verkörpert der Späti eben. Heute zum Beispiel: „Comedy, freier Eintritt, dann Vortrinken in heimischer Atmosphäre, weiterziehen, du hast keine 15 Euro ausgegeben.“
Der Stuhl auf dem Tisch
In einer Zeit, in der Inflation und steigende Preise Hauptthema der Hauptstadt sind, scheint das anzukommen. Die (kostenlosen) Tickets sind ausverkauft, es gibt immer wieder Stau in der Kühlschranktür, die vom Späti in den Veranstaltungsraum führt. Ein weiß gestrichener Schlauch mit Fenstern zum Innenhof. Darin geblümte Sofas, Bierbänke und eine Bühne, auf der ein Plastikstuhl auf einem Tisch steht, wie ein seltsamer Altar.
Auf einer der Bänke sitzen Sunny und Jenny, zwei Freundinnen Ende 20 und Anfang 30. Sie sind zum ersten Mal hier, wohnen im Kiez. „Das ist halt Berlin, alles irgendwie zusammengewürfelt“, sagt Jenny und guckt sich im Raum um. Genau wie das Publikum, schiebt sie hinterher, das sei ja auch bunt gemixt. Junge Frauen mit sehr kleinen Handtaschen und Lockenstabwellen sitzen neben komplett schwarz angezogenen Paaren. Ältere Männer mit Trenchcoat, Sakko, Hornbrille zwischen Statement-Sweatern. Statt einer Bar gibt es Durstlöscher und Zwei-Euro-Bier aus dem Späti-Kühlschrank.

© Julia Schymura
Um 20 Uhr geht’s los, im Hintergrund läuft MC Fittis „30 Grad“. Sieben Comedians treten heute auf. Manche etablierter – Maximilian Lorenz oder Annick Adelle, zum Beispiel , der extra aus New York angereist ist. Andere sind Newcomer. Es gibt Witze über autoritäre Tätowierer, öffentlichen Nahverkehr, konservative Eltern, Erwartungsdruck beim Sex. Also so ziemlich die Themen, um die es auch sonst nach ein paar Bier vorm Späti geht.
So gewinnt man einen Shot
Zwischendurch kommt Niko immer wieder auf die Bühne, fragt Sachen wie: „Wer hat Bock, n‘ Shot zu gewinnen? Wer kann die nächsten zwei Zeilen rappen: 30 Grad…“ – „…Flamingos und Flipper!“, ruft eine Frau – „Shot!“, antwortet Niko.
Nach knapp zwei Stunden ist es vorbei, MC Fitti klappt die Bierbänke ein und fegt Kronkorken zusammen. Vorm Späti ist es ruhig geworden, es ist ja auch nach 22 Uhr im Prenzlauer Berg. Annick, der Comedy-Headliner aus New York, steht noch vor dem Laden. Ob er vorher schon mal in einem Späti aufgetreten ist? „Noch nie, nur mal in einem Waschsalon.“ Diese Spätikultur, er dreht sich zum Schaufenster, die gebe es in New York einfach nicht.
„Noch nie, nur mal in einem Waschsalon.“
Annick Adelle, Comedian aus New York, auf die Frage, ob er schon mal in einem Späti aufgetreten sei.
Und in einer Stadt, die sich immer wieder gern mit New York vergleicht, ist das vielleicht das größte Kompliment, das man kriegen kann.