Klimavorgaben der EU: Autobauer bekommen mehr Zeit, die Emissionen ihrer Flotten zu senken

Das Europaparlament stimmte in Straßburg für eine entsprechende Lockerung der EU-Klimavorgaben. Konkret heißt das: Auch wenn Europas Autobauer die Vorgaben in diesem Jahr überschreiten, werden sie nicht automatisch zur Kasse gebeten. Sie können Strafen ganz vermeiden, wenn sie in den beiden Folgejahren die EU-Regeln übererfüllen.

Eigentlich haben die Unternehmen die Vorgabe, dass die Emissionen ihrer Flotte in diesem Jahr 15 Prozent unter den Werten von 2021 liegen müssen. Dieses Ziel wird aber von vielen Herstellern verfehlt. Zuvor hatte auch schon EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dafür plädiert, den Herstellern eine „Atempause“ einzuräumen.

In einer Zeit von Werksschließungen, Gewinneinbrüchen und US-Autozöllen wären hohe Geldstrafen für die europäische Automobilindustrie fatal gewesen.

Jens Giesek, CDU

Erleichterung herrscht auch bei den konservativen Abgeordneten im Europaparlament. Der CDU-Politiker Jens Gieseke, verkehrspolitischer Sprecher und Berichterstatter der EVP-Fraktion, sagte nach der Entscheidung in Straßburg: „In einer Zeit von Werksschließungen, Gewinneinbrüchen und US-Autozöllen wären hohe Geldstrafen für die europäische Automobilindustrie fatal gewesen.“

Nun hätte die Hersteller die notwendige „Flexibilität bei der Erreichung der Klimaziele“ und würden nicht durch hohe Geldstrafen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit weiter eingeschränkt.

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Auch die Sozialdemokraten im Europaparlament sind zufrieden. „Mit dieser Entscheidung geben wir der europäischen Automobilindustrie in einer schwierigen Phase kurzfristig mehr Flexibilität“, betonte der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken.

Die in Straßburg erreichte Entscheidung ist in seinen Augen „ein pragmatischer Kompromiss, der Beschäftigung sichert, Planungssicherheit schafft und trotzdem an den Zielen zur Emissionsreduktionen festhält“. Doch Tiemo Wölken erklärte ausdrücklich, dass die Europäische Union damit nicht vom „langfristigen Ziel der klimaneutralen Mobilität“ abzuweichen werde.

Sorge bei den Grünen

Genau das befürchtet allerdings der Grünen-Europaparlamentarier Michael Bloss. Er sieht in dieser Abstimmung sogar den „Beginn für das Abräumen des Green Deals“, also des Umbaus Europas zu einem klimaneutralen Kontinent.

Anstatt die E-Mobilität konsequent hochzufahren, werde nun „der Rückwärtsgang eingelegt“. Dieses zögerliche Vorgehen habe „dazu geführt, dass die chinesische Autoindustrie den Europäern den Rang abgelaufen hat“. Den Konservativen wirft Bloss vor, einen „Kulturkampf“ gegen die E-Mobilität zu führen.

Politisches Handeln bedeutet, nicht nur Ziele zu setzen, sondern auch deren Erreichung zu ermöglichen.

Hildegard Müller, Verband der Automobilindustrie

Dem widersprechen natürlich die Autobauer. Der europäische Herstellerverband Acea begrüßte die Lockerung als „Schritt in die richtige Richtung“. Die Autobauer litten aber weiter unter einer hinter den Erwartungen zurückbleibenden Nachfrage und einer fehlenden Produktionskette für Autobatterien in Europa, erklärte Acea-Chefin Sigrid de Vries.

Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), lobte die Entscheidung der Parlamentarier: „Politisches Handeln bedeutet, nicht nur Ziele zu setzen, sondern auch deren Erreichung zu ermöglichen.“ Sie fordert, dass die Ziele grundsätzlich flexibler gestaltet werden müssten – und meint damit auch das Verbrenner-Verbot, das für Jahr 2035 vorgesehen ist.

Ausnahmen für Verbrenner-Verbot gefordert

Auch die Konservativen im Europaparlament arbeiten seit geraumer Zeit daran, dieses strenge Gesetz aufzuweichen. Es sieht vor, dass nach 2035 bei Neu-PKW nur noch reine Elektroantriebe zugelassen werden.

Auch der CDU-Europaparlamentarier Peter Lieser betont, dass nach diesem Datum nur noch „klimaneutrale Neuwagen“ auf die Straße kommen sollten, versteht darunter allerdings nicht reine Elektroautos. Er plädiert für Ausnahmen, bei denen eine Kombination von Elektroantrieb und Verbrenner „sinnvoller sind als reine Elektroautos“. Als Beispiel nennt Peter Liese Hybridfahrzeuge mit sehr hoher Batteriereichweite oder auch sogenannte Range Extender, bei denen die Batterie im Auto selbst mit einem kleinen Benzinmotor aufgeladen werden kann.

VW dominiert deutschen E-Auto-Markt

Im deutschen Elektroautomarkt dominiert im April der VW-Konzern. Nicht nur, dass die Kernmarke mit 9.725 neu zugelassenen reinen Elektroautos weit vor der Konkurrenz liegt, wie aus Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes hervorgeht, auch die Plätze zwei, vier und fünf gehen an Marken aus dem Wolfsburger Konzern. Skoda gelingt es dabei sogar, BMW von Platz zwei zu verdrängen, wenn auch mit 4.216 zu 4.151 Autos denkbar knapp – unter anderem dank des neuen Elroq, der inzwischen auf hohe Neuzulassungszahlen kommt. 

Die Ränge vier und fünf gehen an Audi mit 3.390 und Seat mit 3.196 Stromern vor Mercedes-Benz mit 2.626.

Tesla hat dagegen im April seinen Absturz fortgesetzt. Mit 885 Neuzulassungen fällt der Elektroautohersteller, der vor wenigen Jahren noch die Nummer eins in Deutschland war, aus den Top10 und landet auf Rang 16. (dpa)

Einige Abgeordnete der Rechtsaußen-Fraktionen im Europaparlament haben diesen Angriff auf das Verbrenner-Aus am Donnerstag bereits versucht. Sie hatten weitere Änderungsanträge in die Abstimmung in Straßburg eingebracht, um die geplante Verordnung vollständig zu kippen.

Dafür gab es am Donnerstag aber keine Mehrheit. Das hat wahrscheinlich auch mit der neuen Bundesregierung in Deutschland zu tun hat.

Denn hätten die Konservativen im Europaparlament um CDU und CSU mit den Rechtspopulisten gestimmt, wäre der erste große Koalitionskrach in Berlin vorprogrammiert gewesen. Im Gegensatz zur Union will die SPD am Verbrenner-Aus festhalten. Zudem beäugen die Sozialdemokraten auch im Europaparlament mit Argusaugen, wie weit die Zusammenarbeit der Konservativen mit den rechten Parteien geht.

Der Streit in der Bundesregierung um das Verbrenner-Aus ist allerdings nur vertagt. Spätestens wenn Ende des Jahres eine grundsätzliche Überprüfung des EU-Gesetzes ansteht, dürfte die Diskussion erneut beginnen.

Im Koalitionsvertrag konnten sich beide Seiten nur auf eine allgemeine Formulierung einigen.