Schon wieder 760 Millionen Euro Verlust: Wie Bahn-Chef Richard Lutz die Wende schaffen will

Richard Lutz mochte zunächst nicht über Bilanzzahlen sprechen. „Wir alle bei der Deutschen Bahn stehen noch immer unter Eindruck des schrecklichen Unfalls bei Riedlingen“, sagte der Bahnchef zu Beginn der Halbjahres-Pressekonferenz. Das Bahnunglück in Baden-Württemberg am vergangenen Sonntag nimmt Lutz seit Tagen erkennbar mit.

Als Lutz schließlich zu den Ergebnissen des Staatskonzerns im ersten Halbjahr überleitete, befand sich der 61-Jährige wieder auf gewohntem Terrain. Erneut musste Lutz einen Verlust präsentieren und fand dabei doch Anzeichen dafür, dass es bei der Bahn bald wieder besser laufen werde.

Wieder ein Verlust

Unterm Strich machte die Bahn im ersten Halbjahr einen Verlust von 760 Millionen Euro. Immerhin: Im Vorjahreszeitraum war das Minus noch um etwa eine Milliarde größer. Grund für die Verbesserung war neben den eigenen Sparanstrengungen auch eine Übernahme von Baukosten durch den Bund. In den Vorjahren war der Konzern hier vielfach in Vorleistung gegangen.

Vor Steuern und Zinsen erwirtschaftete die Bahn ein Betriebsergebnis von minus 239 Millionen Euro. Auch das ist eine Verbesserung um rund eine Milliarde.

So waren die Züge unterwegs

Auch in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres erreichte die Bahn ihr Pünktlichkeitsziel nicht. 63,4 Prozent aller Fernzüge kamen ohne größere Verzögerung ans Ziel, Lutz hatte sich mindestens 65 Prozent vorgenommen. Der Bahnchef machte dafür erneut die veraltete Infrastruktur und die vielen Baustellen verantwortlich.

Für die Bahn hat die Unzuverlässigkeit Folgen. Die Nachfrage legte im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur moderat zu. 943 Millionen Reisende waren im Fern- und Regionalverkehr des Konzerns unterwegs – rund 24 Millionen mehr als 2024.

Richard Lutz, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn AG

© dpa/Hannes P Albert

Im Fernverkehr wurden 66,3 Millionen Fahrgäste gezählt (plus 2,1 Millionen). Der Umsatz des Fernverkehrs stieg um 6,1 Prozent auf drei Milliarden Euro. DB Regio verzeichnete ein Umsatzplus von 6,7 Prozent.

Besonders im Fernverkehr hatte sich die Bahn mehr versprochen, war das erste Halbjahr 2024 doch von Streiks der Lokführergewerkschaft GDL geprägt.

Bei der Güterverkehrstochter DB Cargo ging der Umsatz sogar um 9,1 Prozent zurück. DB Cargo habe bewusst unwirtschaftliche Aufträge beendet, erläuterte der kommissarische Finanzvorstand Martin Seiler. Zudem leide DB Cargo unter dem schwierigen konjunkturellen Umfeld.

So schnitten die Bahntöchter ab

DB Cargo hat im ersten Halbjahr einen operativen Verlust von 96 Millionen Euro geschrieben. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 261 Millionen. Auch im Fernverkehr steht vor Steuern und Zinsen ein Minus von 59 Millionen Euro. Im von Streiks geprägten Vorjahr waren es 232 Millionen. Erfreuliche Zahlen gibt es nur von DB Regio: einen operativen Gewinn von 103 Millionen Euro.

Die Bahn hofft, dass sich das Ergebnis im Güter- und Fernverkehr im Laufe des Jahres noch deutlich verbessern wird. Dafür müsste die Politik die Nutzungsgebühren fürs Schienennetz mithilfe einer Förderung nachträglich verringern. Die Mittel, die hierfür im Haushaltsentwurf 2025 vorgesehen sind, reichen dem Bahnvorstand nicht. Nun sollen die Haushaltspolitiker im Bundestag nachhelfen.

Der Ausblick bleibt schwierig

Ohne ausreichende Förderung, das machte Lutz deutlich, werde der Fernverkehr sich aus seiner unternehmerischen Verantwortung heraus auf wirtschaftlich tragfähige Angebote konzentrieren. Insbesondere Intercity-Angebote in die Provinz könnten dann entfallen. Wie sich die Preise im Fernverkehr entwickeln werden, wollte Lutz noch nicht sagen.

Die Bahn halte am Ziel fest, in diesem Jahr im operativen Bereich wieder schwarze Zahlen zu erreichen, betonte Seiler. Die dafür nötigen Sparbemühungen gehen auch zulasten der Belegschaft: Das Sanierungsprogramm sieht vor, bis 2027 rund 10.000 Stellen vor allem in der Verwaltung abzubauen.

Die Stimmung der Beschäftigten sei auf einem Tiefpunkt, betonte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, Martin Burkert. Es fehle an Personal, die Arbeit verdichte sich, und die wirtschaftliche Unsicherheit belaste zusätzlich. „Das aktuelle Sanierungsprogramm mag kurzfristig die Bilanzen verbessern, aber es darf dem Betrieb nicht langfristig schaden.“

Auch beim Ausbau des Schienennetzes dämpfte Lutz erneut die Erwartungen. Er warnte erneut davor, dass insbesondere ab 2027 weiterhin finanzielle Lücken drohen, um die Infrastruktur so zu sanieren und auszubauen, wie das notwendig wäre. „Vor dem Hintergrund, was müsste eigentlich investiert werden, damit es gut wird, werbe ich nach wie vor dafür, ab 2027 sukzessive mehr Gelder bereitzustellen.“(mit dpa)