Weihnachten ohne Esskoma: So bringen Sie Ihre Verdauung wieder in Schwung
Weihnachten, besinnliche Tage im Kreis der Liebsten. Harmonie pur, man bemüht sich. Der Tannenbaum reich geschmückt. Darunter Geschenke mit Schleifchen drum. Nur Lametta war früher mehr.
Und auf dem Tisch ein Fest für den Gaumen: Wird am Heiligabend mitunter noch protestantische Zurückhaltung bei Kartoffelsalat und Würstchen geübt, fallen die Mauern spätestens am ersten Feiertag. Gänsebraten, Klöße und Rotkohl mit dunkler Bratensoße oder Lachspasta, getränkt in Weißwein und Sahne? Hauptsache reichlich. Dazu eine Flasche Wein, der gute Jahrgang. Oder zwei. Nachtisch sowieso.
Das Problem: Wenn all die Köstlichkeiten einmal den Gaumen passiert haben und sich auf den langen Weg abwärts machen, stellt sich bei dem einen oder anderen das ein, was ein Bekannter mal mit dem treffenden Neologismus „Essreue“ bezeichnete.
Der Magen spannt, es gluckst und gärt in den Eingeweiden – kurzum: Man leidet. Doch das muss nicht sein. Mit den folgenden Tipps verhindern Sie Völlegefühl und Food-Koma.
1 Besser auf den Verdauungsschnaps verzichten
Weit verbreitet ist der Mythos, dass ein Gläschen Hochprozentiges wie Bitter oder Kräuterschnaps den Magen aufräumt. Zwar könnten die in Kräuterschnäpsen enthaltenen ätherischen Öle von beispielsweise Minze oder Kümmel durchaus positive Effekte auf die Verdauung haben – Alkohol macht diese allerdings gleich wieder zunichte. Ein Absacker nach dem Mahl entspannt zwar die Magenmuskulatur, lähmt sie aber auch und bremst die Verdauung aus. So bleibt das Festmahl länger im Magen liegen.
Besonders Hochprozentiges reizt die Magenschleimhaut. Zudem regt ein Digestif die Ausschüttung von Magensäure an. „Damit die für die Verdauung wichtigen Enzyme gut wirken können, muss die Säure erst neutralisiert werden“, sagt Magen- und Darmspezialist Christoph Jochum. Er ist stellvertretender Direktor der Klinik für Hepatologie und Gastroenterologie am Charité Campus Mitte in Berlin. Alkohol ist also auch in diesem Fall keine Lösung.
Die Schweizer Käsefondue-Studie
Schweizer Wissenschaftler haben die Wirkung von Alkohol auf die Verdauung bereits im Jahr 2010 in einer kleinen Studie an 20 Probanden untersucht. Zu speisen gab es ein deftiges Schweizer Käsefondue – mit 32 Prozent Fett dürfte die Käseorgie sogar viele Weihnachtsmenüs in den Schatten stellen.
Eine Gruppe durfte zum Essen schwarzen Tee trinken, die andere trank knapp eine halbe Flasche Wein. Einige Teilnehmende bekamen nach dem Essen noch einen Verdauungsschnaps obendrauf. Wenig überraschend: Je mehr Alkohol die Versuchspersonen tranken, desto stärker hatte ihre Verdauung zu kämpfen.
2 Was bitter im Mund, ist dem Magen gesund
Wer sich der verdauungsfördernden Wirkung von Kräutern bedienen will, lässt den Schnaps also besser stehen und greift zu einem Tee aus Fenchel, Anis und/oder Kümmel. Diese sogenannten Karminativa mildern Blähungen und helfen gegen das Völlegefühl. Kräuter wie Kamille, Süßholz oder Melisse haben eine beruhigende Wirkung auf den Magen. Ingwer und Pfefferminze regen die Magensaftproduktion an und unterstützen so die Verdauung.
Letztere kann man auch durch Bitterstoffe ankurbeln. „Das kann beispielsweise ein alkoholfreier Aperitif oder vor dem Essen eingenommene Bittertropfen aus der Apotheke sein“, sagt Andreas Michalsen, Chefarzt der Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus und der Charité. Bittertropfen werden durch alkoholische oder alkoholfreie Auszüge beispielsweise aus der Enzianwurzel, Wermutkraut oder Artischockenblättern gewonnen. Vor einem opulenten Mahl werden etwa 20 Tropfen empfohlen.
Als Grundlage für einen Aperitif bietet sich unter anderem alkoholfreier Wermut an. Dieser kann pur, auf Eis, oder auch mit einer halben Zitronen- oder Orangenscheibe gereicht werden. Wer es zu Weihnachten mediterraner mag, kann alternativ auch zu alkoholfreiem Martini greifen.
3 Kaffee und Espresso räumen den Magen nicht auf – aber den Darm
Nicht nur in Italien sind der Espresso oder der Kaffee nach einem guten Essen beliebt. Zwar beschleunigen die Getränke die Verdauung im Magen nicht, wohl aber die Aktivität des Darms und dessen Entleerung, heißt es von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Gegen einen kleinen Koffeinschub nach dem Essen ist also prinzipiell nichts einzuwenden.
Wer allerdings von Eisenmangel betroffen ist, sollte mindestens 30 Minuten zwischen Mahlzeit und Kaffee verstreichen lassen, da dieser Eisen bindet und für den Körper unverwertbar macht.
4 Gegen ein Nickerchen ist nichts einzuwenden – es sei denn, man leidet unter Sodbrennen
Nach dem Essen sollst du ruh’n oder tausend Schritte tun, lautet eine vermeintliche Weisheit, die wohl viele schon gehört haben dürften. Aber stimmt das auch?
Sicher ist: Nach einem üppigen Mahl benötigt der Körper erst einmal ordentlich Energie, um die Verdauung zu bewältigen – viele Menschen werden müde und weniger leistungsfähig. Warum also nicht ein Nickerchen machen? Die positive Wirkung eines Powernaps von maximal 20 bis 30 Minuten auf Konzentration und Leistungsfähigkeit ist bekannt. Außerdem ist ein Schläfchen auf der Couch ein guter Stresskiller und beugt Erschöpfung und Burn-out vor.
Ob es aber auch der Verdauung hilft, ist individuell unterschiedlich. Denn bei manchen Menschen führt das Liegen nach einer üppigen Mahlzeit zu Sodbrennen, weil die Magensäure in dieser Position zurück in die Speiseröhre fließen kann. Das ist nicht nur unangenehm, sondern auf Dauer auch ungesund. Wer Probleme mit Sodbrennen hat, sollte besser sitzend ruhen.
5 Ein Spaziergang bringt auch die Verdauung in Bewegung
Also doch lieber 1000 Schritte? „Spaziergänge sind gut, um den Kreislauf und die Aktivität von Magen und Darm anzuregen“, sagt Mediziner Michalsen. Auf sportliche Höchstleistungen sollte man allerdings nach einem Festmahl eher verzichten. Denn durch die Verdauung wird der Parasympathikus aktiviert. Das ist ein Teil des Nervensystems, das – vereinfacht gesagt – für Entspannung und Verdauung verantwortlich ist. Sein „Gegenspieler“, der für Aktivität und Stressbewältigung zuständige Sympathikus, wird hingegen gehemmt. Die besagten 1000 Schritte dürften für die meisten Menschen aber dennoch locker zu bewältigen sein – denn je nach Schrittlänge entsprechen sie gerade mal 500 bis 700 Metern.
6 Fasten hilft, Magen und Darm zu entlasten
Und zu guter Letzt (keine) Butter bei die Fische – etwas Maßhalten, kann auch an den Festtagen nicht schaden. Wer achtsam isst, nicht schlingt, gut kaut und auf sein Sättigungsgefühl hört, legt Messer und Gabel in der Regel früher beiseite.
Wer doch über die Stränge geschlagen hat und sich damit unwohl fühlt, kann den Aschermittwoch, den meist im Februar liegenden Beginn der christlichen Fastenzeit, natürlich auch vorziehen.
Gesunde Menschen ohne Vorerkrankungen vertragen den Nahrungsverzicht in der Regel gut. Der Mensch sei auf das Fasten gut vorbereitet, längerer Verzicht sei ihm sozusagen in die Gene eingeschrieben, erklärt Michalsen: „Hunger begleitet unseren Körper seit Jahrmillionen – und darauf haben wir uns eingestellt.“ Neben dem Nahrungsprogramm verfügt der Stoffwechsel deshalb auch über einen Fastenmodus.
Viele Fastende berichten sogar von euphorischen Momenten und besonderem Tatendrang. Und auch in der Naturheilkunde ist das von Medizinern begleitete Heilfasten eine erprobte und gut erforschte Therapie gegen Leiden wie Rheuma, Gicht oder Bluthochdruck. Wie der Einstieg in den Verzicht gelingt, lesen Sie hier.