Kein Maza, kein Scherhant: Einen Spieler vermisst Hertha BSC aber noch viel mehr
Beim Blick auf den Kader von Hertha BSC waren sich vor Saisonstart viele Fans und Experten einig: Diese Mannschaft gehört zu den besten der Zweiten Liga und verdient den Stempel „Aufstiegfavorit“.
Der Auftakt der Berliner in die neue Spielzeit ließ einige Gläubiger bereits ein wenig (ver-)zweifeln, von Herthas Kaderqualität ist der Großteil jedoch weiterhin überzeugt. Auch die Datenbank transfermarkt.de führt Herthas Kader als den wertvollsten in Liga zwei.
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Dabei hatte Hertha, das am Montag in der ersten Pokalrunde bei Preußen Münster gefordert ist (18 Uhr/Sky), im Sommer mehrere schwerwiegende Abgänge zu verzeichnen: Mit Ibrahim Maza wechselte das Herzstück des Berliner Mittelfelds nach Leverkusen, durch den Wechsel von Derry Scherhant nach Freiburg verlor Hertha Tempo und Dribbelstärke auf Außen. Am schmerzlichsten fehlt derzeit aber wohl ein anderer: Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny.
Nach drei Saisons verließ der Engländer Hertha im Sommer ablösefrei nach Griechenland, um sich PAOK Thessaloniki anzuschließen. Dort kämpft der 28-Jährige dieser Tage um die Qualifikation für die Europa League. Kenny, der Berlin schon im letzten Winter verlassen wollte, war auf dem Platz mitunter nicht ganz so auffällig wie Maza oder Scherhant an ihren besten Tagen, jedoch imminent wichtig für das Spiel der Mannschaft.

© imago/Jan Huebner/IMAGO/Michael Taeger
In der abgelaufenen Saison legte der Rechtsverteidiger sieben Treffer auf, belebte Herthas Offensivspiel immer wieder durch kluge Bälle und Hereingaben – ohne dabei die Arbeit nach hinten außer Acht zu lassen. Stefan Leitl beschrieb Kenny im März 2025 als einen „unfassbar intelligenten Spieler“. Der Engländer sei „einer der besten, die es in der Zweiten Liga auf dem Flügel gibt“. Gerade in der Chancenkreation, die Hertha momentan wirklich Probleme bereitet, war Kenny oftmals wichtiger Faktor.
Das Problem ist, dass für Kenny, anders als bei Maza und Scherhant, nicht wirklich ein adäquater Ersatz verpflichtet wurde. Während die Planstellen in der Offensive mit Krattenmacher und Kownacki auf dem Papier gut nachbesetzt wurden, nimmt den vakanten Platz auf der rechten Schiene derzeit Leihrückkehrer Julian Eitschberger ein. Das Berliner Eigengewächs spielte bei Rot-Weiß Essen eine ordentliche Drittligasaison, ob der 21-Jährige aber schon weit genug ist, die Kenny-Lücke zu schließen – fraglich.

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Auf der rechten Außenbahn hat derzeit jedenfalls Deyovaisio Zeefuik die Nase vorn. Der Niederländer verteidigt stark, wirft stets alles rein, hat dafür aber offensiv seine Mängel. Zum Vergleich: Über die komplette vergangene Saison brachte Zeefuik, zumeist als Linksverteidiger aufgeboten, magere fünf Flanken an den Mann. Bei Kenny war es im Durchschnitt immerhin eine pro Spiel. Der Engländer kreierte in der abgelaufenen Spielzeit mehr Chancen (44) auf der Außenverteidiger-Position als Michail Karbownik, Marten Winkler und Deyo Zeefuik zusammen (33).
Zu spüren bekommt das aktuell auch Fabian Reese: Dass Herthas Kapitän als Mittelstürmer bislang noch nicht richtig in Tritt kommt, obwohl er auf dieser Position letzte Saison zehn Tore in elf Spielen erzielte, liegt auch daran, dass ihn Jonjoe Kenny nicht mehr mit Zuspielen füttert. Reeses Mitspielern gelingt es derzeit nur äußerst selten ihren besten Mann in Szene zu setzen.
Herthas Personalsorgen vorm Pokalspiel
Diese Profis fallen gegen Münster vorraussichtlich aus:
- Niklas Kolbe (Infekt)
- Paul Seguin (Wade)
- Michail Karbownik (Sprunggelenk)
- Diego Demme (Schwindel)
- Pascal Klemens (Sprunggelenk)
- Marius Gersbeck (Schulter)
- Lucas Schuler (Hüfte)
- John-Anthony Brooks (Wade)
Ob Hertha auf dieser Position nochmal nachbessern wird, bleibt abzuwarten. Im Juli fiel mal der Name Romain Perraud, dieser war jedoch mindestens ein, wenn nicht zwei Regale zu hoch für die Hertha und wechselte kürzlich zum OSC Lille. Zwischenzeitlich hieß es es auch, man habe Interesse am gebürtigen Berliner Lucas Brumme von Drittligist Rot-Weiß Essen. Ob der Linksverteidiger ein wirkliches Upgrade dargestellt hätte – unklar.
Um wieder Geld in die Hand zu nehmen, muss Hertha BSC aber voraussichtlich erstmal wieder etwas einnehmen: Agustin Rogel, einer der Topverdiener, soll den Verein noch verlassen und Budget freimachen. Doch die Suche nach einem festen Käufer gestaltet sich schwierig – ähnlich wie das Offensivspiel der Berliner.