Essen, Trinken, Treten, Kühlen: Wie sich Radprofis für die Bergstrapazen der Tour de France wappnen
Hohe Berge werfen ihre Schatten voraus. Am Donnerstag muss das Peloton die ersten Pyrenäengipfel erklimmen, den 1474 Meter hohen Col du Soulor und dann im Finale die 1520 Meter hoch gelegene Skistation Hautacam. Tadej Pogacar hat hier schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht. 2022 verlor er auf seinen Rivalen Jonas Vingegaard mehr als eine Minute – und im Anschluss die gesamte Tour de France.
Damals handelte es sich allerdings um die 18. Etappe. Die Fahrer waren erschöpft von zweieinhalb Wochen Strapazen. In diesem Jahr erfolgt der Anstieg eine Woche früher. Für Team Visma-Lease a Bike stellt es gewissermaßen den Anfang der allbekannten Zermürbungsstrategie dar. „Wir wollen ihn brechen, sein ganzes Team brechen“, sagte Berghelfer Sepp Kuss dem Tagesspiegel am Vorabend des ersten Ruhetags.
Jemanden bei der Tour de France zu brechen, bedeutet natürlich nicht, ihm irgendwelche Knochen zu lädieren. Vielmehr möchte man ihn ermüden und erschöpfen, also verhindern, dass der Körper des Rivalen eine außerordentliche Ausdauerleistung bringen kann.
Kampf gegen die Erschöpfung
Dagegen versuchen sich die Radprofis mit mehreren Strategien zu wappnen. Im Rennen bedeutet es, stets genügend Brennstoff zu sich zu führen. Mittlerweile sind das 120 Gramm Kohlenhydrate pro Rennstunde. „Das ist doppelt so viel wie noch vor einigen Jahren“, erzählt Carsten Lundby. Der Sportwissenschaftler arbeitet als Experte unter anderen für den Vingegaard-Rennstall Visma. An der Universität Odense führt er zudem mit Radsportlern eine Studie durch, inwieweit deren Verdauungsapparate 150 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde aufnehmen können – und vor allem, wie sich das auf die Leistung auswirkt.
Denn das sind die beiden kritischen Punkte. Die Fahrer mussten ihre Mägen erst einmal trainieren, die doppelte Menge an Brennstoff aufzunehmen. Die Auswirkungen auf die Leistungen sind laut Lundbys Studien weniger dramatisch als der Laie vermutet. „Etwa 10 Watt mehr kann man dadurch treten. Vor allem aber können die Fahrer ihre maximale Leistung länger bringen“, beschreibt er als wichtigsten Effekt.
Daraus ziehen noch mehr Leute positiven Nutzen als etwa aus dem Höhentraining.
Trainingswissenschaftler Dan Lorang über die Effekte von Hitzetraining
Gerade bei langen Bergetappen kann das von Vorteil sein. Ausreichend Brennstoff müssen daher die Teams bereitstellen. Und viele Profis bei der Tour de France haben mittlerweile nicht mehr Ansichten vom Höhenprofil einer Etappe gut sichtbar an ihr Rad geklebt, sondern den Verpflegungsplan.
Ähnlich wichtig ist die Wasserversorgung unterwegs. Die soll nicht nur Dehydrierung vermeiden. Auch die Körperkerntemperatur wird mit Wasser von innen und Wasser von außen tief gehalten.
Hitzeanpassung und Speed durch Hitze
In der Vorbereitung setzt sich Hitzetraining immer mehr durch. Zum einen als Anpassung an hohe Temperaturen. „Ich bin schon immer gern in die Sauna gegangen, habe das aber nicht so sehr als Training angesehen. Es hat mir vielmehr geholfen, auch in der Hitze gut zu sein“, erzählt der deutsche Meister Georg Zimmermann.
Bei dieser Tour kann Zimmermann diese Qualitäten nicht mehr ausspielen. Aufgrund eines Sturzes am Sonntag trat er auf der 10. Etappe nicht mehr an.
In die Sauna zu gehen, ist passives Hitzetraining, ebenso in ein warmes Bad zu steigen. Aktives Hitzetraining bedeutet, dass man sich in heißer Umgebung noch belastet, sich zum Beispiel extra warme Sachen beim Training anzieht. Die Effekte sind belegt. „Studien haben gezeigt, dass sich sowohl das Blutvolumen erhöht als auch als Antwort auf den Hitzestress mehr rote Blutkörperchen erzeugt werden“, erklärt Lundby.
Auch beim deutschen Rennstall Red Bull-Bora-hansgrohe wird auf Hitzetraining gesetzt. „Daraus ziehen noch mehr Leute positiven Nutzen als etwa aus dem Höhentraining“, beschreibt Trainingswissenschaftler Dan Lorang den größten Vorteil. „Es ist mental aber auch nicht einfach für die Sportler“, gibt er zu. Viel Leiden also in der Vorbereitung auf das große Leiden, das in dieser Woche die drei Pyrenäentage mit Hautacam, dem Bergzeitfahren in Peyragudes und der Königsetappe über Tourmalet, Peyressourde bis nach Superbagneres mit sich bringen.