Torfrau Berger will sich treu bleiben: Rückhalt oder Risikofaktor im DFB-Team?
Ann-Katrin Berger wandelt bei dieser EM zwischen zwei Extremen. Es gibt Situationen, in denen sie das DFB-Team durch einen guten Reflex oder eine starke Parade vor einem Gegentor bewahrt. Dann gibt es aber auch solche Aktionen, in denen die deutsche Torhüterin ohne Not einen Fehlpass spielt oder in denen ihr der lange Ball misslingt und sie ihr Team dadurch in eine brenzlige Lage bringt.
Bei der jüngsten 1:4-Niederlage gegen Schweden häuften sich eher die Aktionen der zweiten Kategorie. Berger spielte im Aufbauspiel mehrere Pässe in den Fuß der Gegnerin und sah etwas unglücklich aus beim ersten Gegentreffer, bei dem sie gar nicht erst versuchte, den Ball abzuwehren.
Bergers Spielweise birgt ein Risiko
„Da waren zwei, drei Bälle dabei, die ich mir angeguckt habe. Manche würde ich wahrscheinlich wieder so spielen, weil nur die Kommunikation von mir und den Abwehrspielerinnen nicht so gut war“, sagte die 34-Jährige, die beim US-amerikanischen Erstligisten NY Gotham FC spielt. Am Mittwoch ergänzte sie aber, dass sie, ebenso wie ihre Mitspielerinnen nicht ihr bestes Spiel gehabt habe. „Ich habe mein Spiel analysiert und damit abgeschlossen.“
Die Spielweise von Ann-Katrin Berger beruhte schon immer auf einem gewissen Risiko. Die Torhüterin gilt als versiert am Ball und ist in der Lage, zur Not auch mal eine Angreiferin mit einer Körpertäuschung ins Leere laufen zu lassen. „Ich liebe es Fußball zu spielen und das ist einfach meine Art und Weise. Vielleicht können wir solche Situationen minimieren, aber ganz raus bekommen wir sie auf jeden Fall nicht.“
Gelingen ihr diese Dribblings, ist das hohe Pressing der Gegnerinnen bereits in der ersten Linie erfolglos und damit viel gewonnen. Passiert ihr allerdings ein Fehler, ergibt sich eine Chance für das andere Team – so etwa gegen Schweden.
Seit ich Deutschland verlassen habe, lese ich eigentlich gar keine Nachrichten mehr.
Torhüterin Ann-Katrin Berger über die Kritik an ihrer Spielweise.
Und gerade dieser schmale Grat spaltet derzeit die deutschen Fans. Für einige von ihnen ist die Spielweise Bergers zu fehleranfällig und risikofreudig, teilweise sahen sie in der Torfrau gar den Grund für die hohe Niederlage.
Dass es beim Spiel um Platz drei bei Olympia vor einem Jahr ohne ihre herausragende Leistung mit einem gehaltenen Elfmeter in der Nachspielzeit wohl nie für die Bronze-Medaille gereicht hätte, gerät da gerne in Vergessenheit. „Seit ich Deutschland verlassen habe, lese ich eigentlich gar keine Nachrichten mehr. In den Sozialen Medien bin ich sowieso nicht so aktiv“, sagte Berger. „Ich konzentriere mich einfach auf mich und meine Mannschaft.“

© Quelle: Uefa, Kicker | Grafik: Tsp/Infografik
Derweil stärken ihre Mitspielerinnen der Torfrau den Rücken. „Ich finde, dass sie eine enorme Sicherheit ausstrahlt. Ich weiß, wenn ich die Bälle nach hinten spiele, dass sie bei Anne gut aufgehoben sind“, sagte etwa Kapitänin Janina Minge. „Ich habe vollstes Vertrauen in sie.“ In den Sozialen Medien nehmen einige deutsche Fans Berger ebenfalls in Schutz und ziehen vielmehr Bundestrainer Christian Wück zur Verantwortung. Dieser schenke seinen Spielerinnen kein Selbstvertrauen, sondern verunsichere sie eher.
Berger wird von ihrer Konkurrenz bestärkt
Nach dem Sieg über Dänemark im zweiten Gruppenspiel, in dem Berger mehrfach zu ihren berüchtigten Dribblings ansetzte, hatte Wück Kritik an ihrer Spielweise geübt und ein Gespräch angekündigt. Im Nachgang entspann sich eine Diskussion, die das Thema allerdings deutlich überhöhte. Immerhin ist es gang und gäbe, dass sich Spieler und Trainer regelmäßig austauschen und gemeinsam eine Lösung finden.
Trotzdem wurde man beim Duell mit Schweden den Eindruck nicht los, dass Berger verunsichert ist. Es dürfte auch nicht gerade einfach sein, die Spielweise umzustellen, die sie als Spielerin definiert. Danach gefragt entgegnete Berger trocken: „Ich habe mich eigentlich nicht verunsichern lassen, von was denn auch?“
In den Tagen vor dem Viertelfinale gegen Frankreich, das am Samstag in Basel (21 Uhr, ZDF) stattfindet, wirkt die 34-Jährige, die unter Horst Hrubesch erstmalig zur Nummer eins im deutschen Tor ernannt worden war, entspannt und in sich ruhend.
Zu ihrem Selbstvertrauen trügen auch ihre beiden Kontrahentinnen im Tor, Stina Johannes und Ena Mahmutovic, bei. „Weil wir so intensiv und in so einer kleinen Gruppe trainieren, pushen wir uns wirklich jedes Mal bis zum Limit. Wir wollen einander helfen und dadurch haben wir einen super Teamspirit in unserer Goalkeeper Union“, erzählte Berger, die trotz aller Kritik ihrer Spielweise treu bleiben möchte.