Die DFB-Elf muss noch einmal ran: Keiner mag das Spiel um Platz drei – außer den Deutschen
Vielleicht war es ein Versehen. Vielleicht Unwissenheit. Vielleicht auch einfach ein Streich des Unterbewusstseins.
Die französische Tageszeitung „Le Monde“ hat am Freitag auf ihrem Account bei „Blue Sky“ auf einen Text zum Halbfinale der Nations League verwiesen. In ihrem Post hieß es, dass die „Équipe Tricolore“ durch ihre 4:5-Niederlage gegen die spanische Fußball-Nationalmannschaft die Nations League verlassen habe.
Schluss, aus, vorbei: So fühlt sich das eben an, wenn man das Halbfinale eines großen Turniers verloren hat. Doch wie bei Fußball-Weltmeisterschaften, so gibt es auch bei der Nations League für die unterlegenen Halbfinalteilnehmer noch einen Epilog: das Spiel um Platz drei.
Deutschlands Spiele um Platz drei
- WM 1934 Deutschland – Österreich 3:2
- WM 1958 Frankreich – Deutschland 6:3
- WM 1970 Deutschland – Uruguay 1:0
- Confed-Cup 2005 Deutschland – Mexiko 4:3 n. V.
- WM 2006 Deutschland – Portugal 3:1
- WM 2010 Deutschland – Uruguay 3:2
Frankreich und Gastgeber Deutschland haben am Sonntag (15 Uhr/RTL und Dazn) das zweifelhafte Vergnügen, in Stuttgart um die sprichwörtliche Goldene Ananas zu spielen.
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Das sogenannte Kleine Finale genießt in der Welt des Fußballs einen eher fragwürdigen Ruf. Es ist so etwas wie der Blinddarm dieses Sports: Hat keinerlei Funktion, braucht niemand und kann deshalb weg.

© imago/Beautiful Sports/IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Wunderl
Viele halten es in dieser Angelegenheit mit Louis van Gaal, der bei der WM 2014 als Bondscoach der holländischen Nationalmannschaft in unnachahmlicher Louis-van-Gaal-Manier gegen das anstehende Spiel um Platz drei gewettert hat. „Das hat mit Sport nichts mehr zu tun“, zeterte er nach der Halbfinalniederlage seines Teams gegen Argentinien. „Es kann nur ein Finale geben, und in dem muss es darum gehen, Champion zu werden.“
Psychologisch ist es kein Feuerwerk, dass wir jetzt um Platz drei spielen.
Bundestrainer Julian Nagelsmann nach der Halbfinal-Niederlage gegen Portugal
Seine Mannschaft hinderte das übrigens nicht daran, das Spiel um Platz drei mit 3:0 gegen Gastgeber Brasilien zu gewinnen.
„Psychologisch ist es kein Feuerwerk, dass wir jetzt um Platz drei spielen“, hat Bundestrainer Julian Nagelsmann nach der 1:2-Niederlage gegen Portugal im Nations-League-Halbfinale unter der Woche gesagt. Sich nach einer solchen Enttäuschung emotional noch einmal hochzufahren, gilt in der Tat als durchaus anspruchsvolle Herausforderung.

© Imago Images
Die meisten Fußballer hassen das Spiel um Platz drei – nur die Deutschen nicht. Bei Weltmeisterschaften sind die Deutschen Rekord-Dritter. Fünfmal standen sie im Kleinen Finale, viermal konnten sie es gewinnen. Nur bei der WM 1958 musste sich die Nationalmannschaft Frankreich mit 3:6 geschlagen geben. Dazu kommt noch der Erfolg im Spiel um Platz drei beim Confed-Cup 2005.
Am Sonntag kehren die Deutschen nicht nur an den Ort zurück, an dem sie vor elf Monaten im Viertelfinale der Heim-EM gegen Spanien ausgeschieden sind; das Stadion in Stuttgart ist auch der Ort, an dem die Nationalmannschaft bei der WM 2006 einen unerwarteten emotionalen Höhepunkt erlebt hat – im Spiel um Platz drei.

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Schon bei ihrer Ankunft im Schwabenland, drei Tage nach der bitteren Halbfinalniederlage gegen Italien, wurde das Team damals frenetisch bejubelt. Eine riesige Menschenmenge hatte sich vor dem Hotel in der Stuttgarter Innenstadt eingefunden, und auch beim Spiel gegen Portugal (mit dem damals noch sehr jungen Cristiano Ronaldo) hielt die Feststimmung an – zumal die Deutschen die Begegnung mit 3:1 für sich entschieden.
Es geht um ein versöhnliches Ende
„Die Fans feierten die deutsche Mannschaft, als ob sie Weltmeister geworden wäre“, schrieb der Tagesspiegel. Das Publikum sang: „Stuttgart ist viel schöner als Berlin“, wo am Tag danach das WM-Finale zwischen Italien und Frankreich stattfand. Und auf einem der vielen Transparente im Stadion stand: „Was ist schon der Cup gegen 80 Millionen Herzen?“
Die grundsätzlich positive Stimmung trug vermutlich auch dazu bei, dass die Nationalmannschaft bestrebt war, das Heimturnier zu einem guten und damit versöhnlichen Abschluss zu bringen. Das könnte und sollte am Sonntag gegen die Franzosen im Idealfall auch so sein.
Denn nimmt man die Eindrücke aus den beiden Halbfinals zum Maßstab, dann gehen die ersatzgeschwächten Deutschen am Sonntag gegen den Vizeweltmeister ganz sicher nicht als Favorit ins Spiel. Aber sich mehr oder weniger kampf- und lustlos der vermeintlichen Übermacht der „Équipe tricolore“ zu beugen, das kommt für Nagelsmanns Team aus verschiedenen Gründen nicht in Frage.
„Es geht darum, noch mal ein gutes Gefühl zu bekommen und noch mal nach einer sehr schwachen Leistung ein europäisches Topteam zu schlagen“, sagt Kapitän Joshua Kimmich. Denn sollte die Nationalmannschaft nach dem 1:2 gegen Portugal erneut verlieren, könnte das die gute Stimmung, die seit dem vergangenen Sommer rund um das Team herrscht, tatsächlich deutlich eintrüben.
„Auf jeden Fall müssen wir eine Schippe drauflegen“, hat Rudi Völler vor dem Duell mit den Franzosen gesagt. Der DFB-Sportdirektor weiß, wie es geht. Vor knapp zwei Jahren, im September 2023, sprang er drei Tage nach der 1:4-Niederlage gegen Japan und der daraus folgenden Entlassung von Bundestrainer Hansi Flick als Interimscoach für das Spiel gegen Frankreich ein.
Angesichts des desolaten Zustands der Mannschaft wurde schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Mit Rudi Völler an der Seitenlinie gewannen die Deutschen 2:1.