„Aktive politische Absage an queere Sichtbarkeit“: Regenbogen-Netzwerk des Bundestages darf nicht am Berliner CSD teilnehmen

Das queere Mitarbeitenden-Netzwerk der Bundestagsverwaltung darf in diesem Jahr, anders als in den Vorjahren, nicht am Christopher Street Day (CSD) in Berlin teilnehmen. Die bereits erfolgte Anmeldung einer Fußgruppe des Regenbogen-Netzwerks sei „auf Weisung der Verwaltungsspitze“ zurückgezogen worden, teilte der Trägerverein des CSD am Montag mit.

Der Bundestag bestätigte das Verbot auf Tagesspiegel-Anfrage. „Der Direktor beim Deutschen Bundestag hat die Entscheidung getroffen, dass die Bundestagsverwaltung als solche, insbesondere aufgrund der gebotenen Neutralitätspflicht, nicht an politischen Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen teilnimmt“, sagte eine Sprecherin. Privat dürften die Mitarbeitenden teilnehmen: „Außerhalb des Dienstes steht den Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung eine Teilnahme an solchen Versammlungen selbstverständlich frei“.

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Neuer Direktor und damit Leiter der Bundestagsverwaltung ist seit dem 12. Mai Paul Göttke. Die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hatte ihn für die Position vorgeschlagen. Ob Göttke auf Weisung von Klöckner handelte, beantwortete die Pressestelle des Bundestages nicht.

Entscheidung von Julia Klöckner: Keine Regenbogenflagge am Bundestag zum CSD

Erst vor einem Monat hatte die CDU-Politikerin entschieden, dass – auch anders als in den Vorjahren – auf dem Reichstagsgebäude keine Regenbogenflagge zum Berliner CSD gehisst wird. „An diesem Tag wird die Regenbogenflagge zu Recht auf vielfältige Weise durch die Menschen selbst getragen und verbreitet, nicht durch die Institution Bundestag“, sagte Klöckner.

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Julia Klöckner (CDU), die neue Bundestagspräsidentin.

© dpa/Katharina Kausche

Das kritisiert der Berliner CSD in seiner Stellungnahme. „Dass nun auch queere Beschäftigte der Bundestagsverwaltung nicht sichtbar beim CSD mitlaufen dürfen, verstärkt den Eindruck einer politischen Kehrtwende“, schreibt der Verein. Zudem sei es „ein Rückschritt für alle, die in Institutionen für Menschenrechte, Vielfalt und Demokratie eintreten“.

Der CSD spricht von „einer aktiven politischen Absage an queere Sichtbarkeit“ und einer „bewussten Entscheidung gegen die Community“. CSDs seien gelebte Demokratie. „Wer die Teilnahme von queeren Mitarbeitenden staatlicher Institutionen untersagt, kündigt stillschweigend den Konsens auf, dass Grundrechte sichtbar verteidigt gehören“, so der Vorstand weiter. „Gerade in Zeiten, in denen CSDs zur Zielscheibe rechtsextremer Angriffe werden, wäre politischer Rückhalt mehr als angebracht.“

CDU-Abgeordneter: Regenbogen-Netzwerk muss beim Berliner CSD sichtbar sein

Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak forderte in einer Mitteilung, das Regenbogen-Netzwerk müsse beim Berliner CSD sichtbar sein. Er wünsche sich „eine Lösung, die das jenseits der gebotenen Neutralitätspflicht ermöglicht“, so Luczak. Beim CSD würden eine Million Menschen für Gleichberechtigung und Toleranz von LGBTIQ demonstrieren – Werte, für die auch der Bundestag einstehe. „Wenn das durch eine Teilnahme seiner Mitarbeiter zum Ausdruck kommt, finde ich das gut“, sagte Luczak.

„Entsetzt und sehr enttäuscht“ ist die LSU, die Interessensvertretung queerer Menschen in CDU und CSU. In einer Mitteilung schrieb sie von einem „bedauerlichen Signal“. „Wenn sich LSBTIQ+ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren und für Sichtbarkeit beim CSD einstehen wollen, darf das keine Frage von Protokoll oder Formalia sein, sondern eine Selbstverständlichkeit“, so Sönke Siegmann, Bundesvorsitzender der LSU. „Wir appellieren an die Verantwortlichen, diese Haltung zu überdenken und weiterhin stärker auf Teilhabe und Sichtbarkeit zu setzen. Die Entscheidung ist ein Rückschritt für das offene Bild, das unser Parlament ausstrahlen sollte.“

Der Kurswechsel von Julia Klöckner und der CDU ist kein Zufall – er ist ein gezielter Angriff auf queeres Leben.

Maik Brückner, queerpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag

Der queerpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Maik Brückner, sprach auf Instagram von einem „fatalen Symbol“. „Der Kurswechsel von Julia Klöckner und der CDU ist kein Zufall – er ist ein gezielter Angriff auf queeres Leben. Dass queere Sichtbarkeit aus dem Bundestag verbannt wird, ist Ausdruck eines gefährlichen Rechtsrucks – auch innerhalb der Bundesregierung“, so Brückner.

Nyke Slawik: „ein schwerwiegender politischer Rückschritt“

Kritik kommt auch von Nyke Slawik, der queerpolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag. Das Verbot sei ein verheerendes Signal. „Die nun untersagte Präsenz des Regenbogen-Netzwerks des Bundestags auf einem der größten CSD des Landes ist ein institutioneller Rückzug aus gesellschaftlicher Verantwortung“, teilte sie mit. „Das ist ein klarer Rückschritt und eine Entscheidung – gegen die Community, gegen Sichtbarkeit und demokratische Vielfalt.“ Wenn queere Beschäftigte staatlicher Institutionen aus der Öffentlichkeit zurückgedrängt werden, sei das „ein schwerwiegender politischer Rückschritt.“

Bundestagspräsidentin Klöckner müsse erklären, „wie sie in ihrer Rolle sicherstellen will, dass queere Mitarbeitende auch in Zukunft als Teil einer offenen, diversen Parlamentskultur in der Öffentlichkeit sichtbar sein dürfen“, so Slawik weiter: „Wer der queeren Belegschaft in der Verwaltung Sichtbarkeit verweigert, gestaltet damit politische Realität. Und diese Realität darf nicht eine der Ausgrenzung und Unsichtbarmachung sein.“

Auch der Berliner CSD fordert von Klöckner, „sich klar zur Verantwortung des Bundestags für den Schutz queerer Menschen zu bekennen“. Der Verein hat die Mitglieder des Regenbogen-Netzwerks nun eingeladen, stattdessen auf dem offiziellen CSD-Truck mitzufahren.

In diesem Jahr findet der Berliner CSD am 26. Juli statt. Erwartet werden wieder Hunderttausende Menschen, die für queere Rechte auf die Straße gehen. Start ist wie in den Vorjahren um 12 Uhr in der Leipziger Straße. Von dort aus geht es Richtung Potsdamer Platz, Nollendorfplatz, vorbei am Großen Stern auf die Straße des 17. Juni zum Brandenburger Tor.

Das diesjährige Motto ist „Nie wieder still”. Das solle zeigen, dass die queere Community laut bleibe, sich nicht verdrängen, übersehen oder unsichtbar machen lasse, begründete der CSD das Motto.