Und dann stellt die neue Wirtschaftsministerin das Klimaziel 2045 infrage

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat einen flexibleren Umgang mit den Klimazielen gefordert. „Wenn Klimaschutz so organisiert ist, dass damit kein Geld zu verdienen ist (…), dann geht das in die falsche Richtung“, sagte die Ministerin auf dem „Tag der Industrie“ in Berlin. Die Politik habe einen Fehler gemacht, die Transformation als linearen Prozess zu verstehen.

Die Ziele zur CO₂-Reduktion bis 2030 und 2035 seien zu starr und sie wisse nicht, ob es die frühere Bundesregierung vorher durchgerechnet habe, als sie für Deutschland das Ziel der Klimaneutralität auf 2045 vorgezogen hat. Diese Jahreszahl steht allerdings im Klimaschutzgesetz und seit der Einrichtung des Sondervermögens für Investitionen und Klimaschutz im März auch im Grundgesetz.

Reiche, soviel wird bei ihrem Auftritt deutlich, würde eine Rückkehr zum EU-Ziel 2050 bevorzugen, das auch im Abkommen von Paris festgelegt ist. „Ich glaube, eine Harmonisierung mit internationalen Zielen täte gut – ist aber im Koalitionsvertrag nicht festgelegt“, sagte sie. „Trotzdem müssen wir schauen, was in welchem Zeitraum machbar ist zu welchem Preis.“

Bezahlbarkeit von Strom aus dem Blick verloren

Die aktuelle Energiepolitik soll aus Reiches Sicht Fehler der Vergangenheit korrigieren. Frühere Regierungen hätten sich einseitig auf den Ausbau erneuerbarer Energie konzentriert und dabei die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Strom aus dem Blick verloren.

„Wir reparieren hier mit Steuergeld etwas, was Politik über Jahrzehnte falsch angelegt hat“, sagte die frühere Chefin des Netzbetreibers Westenergie. „Alle Entlastungsmaßnahmen, die wir jetzt teuer aus dem Haushalt bezahlen, sind am Ende das Ergebnis von einer bestenfalls suboptimal geplanten Energiewende.“

Zu diesen Maßnahmen zählt eine Rechnung in Höhe von 3,4 Milliarden Euro für teuer eingelagertes Erdgas in Gasspeichern. Diese Kosten wurden bisher per Umlage von allen Verbrauchern gezahlt und sollen nun aus den Mitteln des Klima- und Transformationsfonds (KTF) beglichen werden. Außerdem senkt die schwarz-rote Koalition die Stromsteuern – allerdings nur für die Industrie und die Landwirtschaft. Im Koalitionsvertrag hatten die Parteien diese Entlastung noch für alle Stromkunden versprochen.

„Hier trifft Koalitionsvertrag auf finanzielle Möglichkeit und Wirklichkeit“, sagte Reiche dazu. Man habe sich darauf konzentriert, „die Produktionskosten in den Griff zu kriegen“ und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu sichern. „Das heißt, für die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Stelle weniger.“

Dafür entlaste man alle bei der Gasspeicherumlage und den Netzentgelten. Reiche sprach von sechs Milliarden Euro an Netzkosten, die der Bund übernehmen werde. Die Absenkung der Übertragungsnetzentgelte ist für den Haushalt 2026 vorgesehen.

Bei den Kunden werden die niedrigeren Preise insgesamt wohl erst ab dem 1. Januar 2026 ankommen. Zusätzlich zu den bereits bestehenden Strompreisrabatten für energieintensive Unternehmen verhandelt das Wirtschafts- und Energieministerium mit der EU-Kommission über weitere Rabatte für die Industrie. Auch diese könnten dann zu Beginn des kommenden Jahres greifen.

Der Großteil dieser Subventionen taucht nicht mehr im Haushalt des Wirtschaftsministeriums auf. Nachdem das Haus einige Abteilungen an das neue Digitalministerium und das Forschungsministerium abgeben musste, ist der Haushaltsplan auf nur noch neun Milliarden Euro geschrumpft. Zuletzt waren es elf Milliarden, im Jahr 2023 noch 14 Milliarden Euro. Allein die Raumfahrt-Förderung, die nun im Ministerium von Dorothee Bär liegt, macht rund 1,3 Milliarden Euro aus.

Dafür betreffen aber rund 86 Prozent der KTF-Ausgaben Programme des BMWE. In diesem Topf liegen für 2025 insgesamt auf 36,6 Milliarden Euro. Auch aus dem neuen Infrastruktur-Sondervermögen werden künftig Ausgaben für die Energieversorgung finanziert.

Das gilt insbesondere für die Kosten der schwimmenden Gas-Terminals, die der Bund nach Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine eingerichtet hat. Diese Schiffe sind zwar keine neuen Infrastruktur-Investitionen, dennoch können ihre Betriebskosten nach Ansicht der Juristen in der Bundesregierung auch aus dem neuen Sondervermögen finanziert werden.

Reiche gab zu, dass die Sondervermögen in Wirklichkeit zusätzliche Schulden sind. Die Ausgaben von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur sei aber genauso richtig wie die Ausnahme der Verteidigungskosten von der Schuldenbremse, „wenn wir Strukturreformen nachziehen“. Diese Reformen müssten auch folgen, um das Land in die Lage zu versetzen, das Geld schnell und effizient zu investieren.

Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur in Berlin und berichtet für WELT über Wirtschafts- und Energiepolitik, Digitalisierung und Staatsmodernisierung.