Sein letzter Gang als FDP-Chef: Und für einen Moment werden Lindners Augen glasig

Christian Lindners politische Karriere endet dort, wo er sich besonders wohlfühlt: auf der Bühne, im Licht der Scheinwerfer, im Fokus.

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Es ist genau 12:34 Uhr an diesem Freitag in Berlin, als stehende Ovationen den zu diesem Zeitpunkt Noch-FDP-Vorsitzenden zum Rednerpult tragen.

Der Anlass ist politisches Schwarzbrot. Lindner muss beim 76. Parteitag der freien Demokraten seinen Rechenschaftsbericht ablegen. Es geht um Einnahmen, Ausgaben und ordnungsgemäße Buchführung. Eigentlich.

Christian Lindner umarmt Marco Buschmann, den FDP-Generalsekretär.

© REUTERS/LISI NIESNER

Doch Lindners Auftritt ist das Ende einer Ära. Nach elf Jahren und fünf Monaten an der Spitze ist es sein letzter als FDP-Chef. Noch ein paar Minuten, dann ist Schluss.

Dank und glasige Augen

Man merkt Lindner an, wie schwer ihm dieser Gang fällt. Eine knappe Minute steht er wie festgewachsen auf der Bühne, blickt in den Raum, genießt den Applaus, nickt dankend, ringt um Fassung. Schaut man genau hin, sieht man, wie seine Augen für einen Moment glasig werden.

Das ist verständlich. Schließlich verlässt er die Partei, oder zumindest seine Funktion in ihr, wie er sie 2013 vorgefunden hat: am Boden. Wie bei seiner Amtsübernahme ist sie nicht im Bundestag, ringt verzweifelt um ein inhaltliches Profil und ja, um ihre Zukunft.

Was sagt man in einem solchen Moment, wenn man Christian Lindner ist? Man wärmt sein eigenes Bonmot aus dem Jahr 1997 auf, als er sagte, Probleme seien nur dornige Chancen: „Für viele mag sich dieser Parteitag wie ein Nullpunkt anfühlen“, sagt Lindner. „Aber es ist nur ein neuer Anfang.“

Die Zukunft der FDP liegt nicht in einem Schwenk nach links oder rechts.

Christian Lindner bei seiner letzten Rede als FDP-Parteivorsitzender

Aber ist das wirklich so? Lindner selbst, das merkt man zwischen den Zeilen, scheint leise Zweifel zu haben. Zwar bemüht er sich redlich, seinem Nachfolger den Boden zu bereiten: „Auf mich und meine Unterstützung kannst du immer zählen“, sagt er an Christian Dürr gerichtet. Und wendet sich an seine Partei: „Mein Nachfolger braucht jene Nachsicht und Loyalität, die ich erfahren habe“, sagt Lindner. „Schenkt sie ihm.“

Christian Dürr, designierter FDP-Parteichef, auf dem Parteitag.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Doch ein paar Fingerzeige lässt sich Lindner nicht nehmen. Er kritisiert Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) für seine Schuldenpolitik, sinniert über die Bedeutung des Liberalismus und gibt seiner Partei eine Mahnung mit auf den Weg.

„Die Zukunft der FDP liegt nicht in einem Schwenk nach links oder rechts“, sagt Lindner. Vielmehr müsse sie sich „auf ihre liberalen Wurzeln“ besinnen. Also auf Bürgerrechte, die Freiheit des Einzelnen. Themen also, so sehen es nicht wenige in der Partei, die er selbst zuletzt vernachlässigt hat.

Eine FDP ohne Lindner, sie scheint derzeit schwer vorstellbar, das unterstreicht auch seine Rede an diesem Freitag noch einmal. Und für Lindner offenbar auch: „Mir fällt dieser Abschied nicht leicht, mein liberales Herz will eigentlich schon wieder loslegen“, sagt er. Beschlüsse fassen, die Regierung stellen, Menschen überzeugen. „Aber der Verstand sagt: Alles hat seine Zeit“.