Der Ersatz seines Ersatzes: Niclas Füllkrug ist nach neun Monaten zurück im DFB-Team

Niclas Füllkrug ist nach eigener Einschätzung „nicht so der Big-City-Typ“. Da ist es natürlich ein bisschen ungünstig, wenn man wie er in London lebt und arbeitet, einer der biggest aller big cities auf dem europäischen Kontinent. Aber zum Glück gibt es ja noch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft.

Da bekommt Füllkrug in diesen Tagen all das, was er in London nicht hat: viel Grün, viele Bäume, viel Natur. Und vielleicht sogar viel Spielpraxis.

Der Mittelstürmer des Londoner Premier-League-Klubs West Ham United bereitet sich gerade mit der deutschen Nationalmannschaft im beschaulichen Herzogenaurach auf das Final Four der Nations League vor. Am Mittwoch steht in München das Halbfinale gegen Portugal an, am Sonntag – im Idealfall – das Endspiel gegen den Sieger der Partie Frankreich gegen Spanien.

Die Ablenkungen in Herzogenaurach sind überschaubar, aber das dürfte Niclas Füllkrug nicht allzu sehr stören. Im Gegenteil: Das mit ihm und der 24.000-Einwohner-Stadt im Landkreis Erlangen-Höchstadt scheint sich langsam zu einer sehr innigen Beziehung zu entwickeln.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Amiri fällt verletzt aus

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft muss den ersten Ausfall für das Finalturnier der Nations League verkraften. Vier Tage vor dem Halbfinale gegen Portugal ist Mittelfeldspieler Nadiem Amiri wegen Adduktorenbeschwerden aus dem Teamquartier in Herzogenaurach abgereist. Eine Nachnominierung für den Mainzer ist aktuell nicht vorgesehen. 

Im Sommer vor einem Jahr logierte die Nationalmannschaft hier während der Heim-EM, und auch bei den ersten Länderspielen nach dem Turnier fand sich das Team zur Vorbereitung in Herzogenaurach ein. Es war zugleich das letzte Mal, dass Füllkrug für die Nationalmannschaft nominiert war.

Man muss die Situation realistisch einschätzen. Der Bundestrainer hat mich bestimmt nicht eingeladen, weil ich die beste Saison meiner Karriere gespielt habe.

Nationalspieler Niclas Füllkrug

Anfang September hat er beim 5:0-Sieg gegen Ungarn zum zwischenzeitlichen 1:0 für die Deutschen getroffen. Es war im 22. Länderspiel sein 14. Tor. Doch während das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann anschließend zur nächsten Partie nach Amsterdam weiterreiste, musste Füllkrug mit Achillessehnenbeschwerden zurück nach England fliegen.

Für ihn war es der Beginn einer längeren Leidensgeschichte. Drei Monate fiel der Mittelstürmer aus, ehe er im Dezember erstmals wieder für West Ham auf dem Platz stand. Und nur sechs Wochen nach seiner Rückkehr erwischte es ihn erneut. Wieder musste Füllkrug drei Monate pausieren, diesmal wegen einer Oberschenkelverletzung. „Ich hatte einfach Scheiße am Schuh“, hat er vor kurzem in einem Interview mit dem „Kicker“ gesagt.

Im vergangenen August hat Füllkrug bei West Ham einen Vertrag über vier Jahre unterschrieben. Knapp 30 Millionen Euro hat sich der Klub die Verpflichtung des früheren Dortmunders kosten lassen. Doch die mit dem Transfer verbundenen Erwartungen haben sich bisher nicht erfüllt.

Nur drei Tore erzielte er für West Ham

In der abgelaufenen Saison kam Füllkrug auf gerade mal 19 Pflichtspieleinsätze für West Ham. In der Premier League stand er nur sechs Mal in der Startelf, und nur ein einziges Mal blieb er über die kompletten 90 Minuten auf dem Feld. Drei Treffer sind dem 32-Jährigen für seinen neuen Klub gelungen, der die Saison auf dem unbefriedigenden 14. Platz beendet hat. „Wir haben keine gute Saison erwischt“, sagt Füllkrug. Weder er noch West Ham.

Dass Bundestrainer Nagelsmann ihn für das Final-Four-Turnier der Nations League nominiert hat, kam daher sogar fast ein bisschen überraschend. Auch für Füllkrug selbst. „Man muss die Situation realistisch einschätzen“, sagt er. „Der Bundestrainer hat mich bestimmt nicht eingeladen, weil ich die beste Saison meiner Karriere gespielt habe. Sondern eher, weil ich hier immer gut funktioniert habe.“ 

Bis zu seiner Verletzung war Füllkrug eine feste Größe in der Nationalmannschaft. Während seiner Abwesenheit aber hat sich mit Tim Kleindienst ein anderer Mittelstürmer an ihm vorbei in den Vordergrund gedrängt, dessen Geschichte in vielem auffällig an Füllkrugs Werdegang erinnert.

Auch Kleindienst ist ein klassischer Mittelstürmer, wie sie in Deutschland über viele Jahre vergeblich gesucht wurden. Auch Kleindienst ist erst mit Ende 20 in den Fokus der Nationalmannschaft geraten. Und auch Kleindienst hat im DFB-Team auf Anhieb funktioniert: In sechs Länderspielen hat er bereits vier Tore erzielt.

Dass der Angreifer von Borussia Mönchengladbach sich am Ende der Saison am Meniskus verletzt hat und nun mehrere Monate ausfallen wird, ist eine weitere Parallele. Durch Kleindiensts Ausfall wird Niclas Füllkrug jetzt gewissermaßen zum Ersatz seines Ersatzes. Und da mit Kai Havertz ein weiterer Offensivspieler fehlt, hat er sogar gute Chancen, bei den beiden anstehenden Spielen das zu sein, was er bei der Europameisterschaft vor einem Jahr nicht sein durfte: ein Mann für die Startelf.

Seit Anfang April ist Füllkrug bei West Ham zurück auf dem Platz. „Ich habe schon ein paar Wochen gebraucht, um wieder auf Matchfitness zu kommen“, sagt er. „Aber jetzt fühl ich mich gut.“ So gut, dass die Saison für seinen Geschmack gerne noch ein bisschen länger hätte gehen können. Aber dafür hat Niclas Füllkrug ja die Nationalmannschaft.