„Ein Jahrzehnt der Baustellen“: Autobahngesellschaft sorgt sich um 50 marode Brücken in Berlin
Berlin und der Bund wollen die beiden abgerissenen Brücken an der Stadtautobahn A100 schnell wiederaufbauen. Der erste Zuschlag werde noch in diesem Jahr erteilt, der andere zwei bis drei Monate später. Die Arbeiten sollen direkt danach starten. Bei der Vergabe des Auftrags soll das Tempo der Arbeiten entscheidend sein. Das kündigte Autobahn-Direktor Ronald Normann am Montagabend an.

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Das war die gute Nachricht. Die schlechte für Autofahrer lautet: 39 Prozent der 260 Brücken sind in keinem guten Zustand. Bei denen „müssen wir uns Sorgen machen“, sagte Normann. Gefährdet seien darunter 50 Brücken, die man „in engem Blick“ habe. Es sei nicht auszuschließen, dass es dabei ähnliche Überraschungen wie bei der Westendbrücke gebe. Diese war im März wegen akuter Einsturzgefahr völlig überraschend gesperrt worden. Normann kündigte „ein Jahrzehnt der Baustellen in der Stadt“ an.
Diese Botschaft fiel auf einer Podiumsdiskussion „Brücken in Not – wie weiter mit Berlins Infrastruktur“. Der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) als Veranstalter macht sich Sorgen um die Infrastruktur in der Hauptstadt.
Laut Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) gibt es bei 120 Bauwerken in Berliner Regie „akuten Handlungsbedarf“. Diese 120 Brücken sollen in den nächsten zehn Jahren grundlegend saniert oder neu gebaut werden, dazu sei eine Milliarde Euro erforderlich. Berlin setzt dabei auf Mittel aus dem 500-Milliarden-Infrastrukturpaket des Bundes, sagte Bonde. Am 11. Juli soll der Teil für die Länder – 100 Milliarden – auf den Weg gebracht werden.
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Im Spätsommer werde die Verkehrsverwaltung einen „Masterplan Brücken“ vorlegen, sagte Bonde. Jahrzehntelang sei die Instandhaltung vernachlässigt worden. Nun werde man „Tempo machen“, lobte die Verkehrssenatorin ihre Verwaltung: „Wir liefern.“ Beim Abriss der Ringbahnbrücken und der Brücke an der Wuhlheide habe Berlin dies gezeigt. Alle drei Bücken seien „in Rekordzeit abgerissen“ worden. Auch Autobahn-Direktor Normann lobte das Land Berlin „für schnelle und vor allem rechtssichere Entscheidungen“.
Negativbeispiel: die Rudolf-Wissell-Brücke an der A100
Bonde sagte, dass der Senat kürzlich dafür gesorgt habe, Planungs- und Umsetzungsverfahren für Brückenneubauten deutlich zu beschleunigen. So sollen künftige Projekte zwei bis drei Jahre schneller fertig werden.
Ronald Normann, der Niederlassungsdirektor der Autobahn GmbH, nannte ein prominentes Negativbeispiel: die Rudolf-Wissell-Brücke an der A100. Es ist die längste Berliner Brücke, knapp einen Kilometer lang. 2015 habe man die Deges, die bundeseigene Infrastrukturgesellschaft, mit dem Projekt beauftragt, sagte Normann. Eine Baugenehmigung gebe es bis heute nicht. Das Vorhaben sei „überfrachtet mit Einwendungen“, so Normann. Eine Prognose, wann der Planfeststellungsbeschluss, die Baugenehmigung, vorliegt, gibt es nicht.
Auch die Deutsche Bahn geht juristisch gegen das Projekt vor. Denn unter der Rudolf-Wissell-Brücke liegen viele wichtige Bahnstrecken. Zudem plant die Bahn den Wiederaufbau der Siemensbahn – dies kollidiert mit den Plänen der Deges.
Berlin hat etwa 2700 Brücken. Etwa ein Drittel gehören dem Land, 28 Prozent der Deutschen Bahn, 25 Prozent der BVG und 15 Prozent der Autobahn-Infrastrukturgesellschaft des Bundes. Etwa zwei Prozent unterstehen den Wasser- und Schifffahrtsbehörden.

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Auch die Bahn habe einen Rückstau bei Instandhaltung und Neubau, sagte Berlins Bahnchef Alexander Kaczmarek am Montagabend. Die Sorgen seien aber geringer – weil die Brücken so alt sind. „Bei uns ist das meiste aus der Kaiserzeit“, sagte Kaczmarek. Damals gab es keinen Spannbeton, der ohne Vorankündigung zusammenbrechen kann, wie Deutschland spätestens seit dem Einsturz der Dresdner Carolabrücke weiß.
Früher wurde nur mit Stahl gebaut, da könne man bedenkenlos „basteln“, wie Kaczmarek formulierte. Dass seit den 50er Jahren in Deutschland fast ausschließlich Straßen gebaut wurden, habe „jetzt was Gutes“ für die Bahn. Ein Großteil der 908 Bahnbrücken sei über 70 Jahre alt, die Bahn rechne mit einer Lebensdauer von im Schnitt 120 Jahren. Aber auch Kaczmarek kann „nicht versprechen, dass wir vor Überraschungen gefeit sind“.