In der Nähe des Berliner Leopoldplatzes: Arzt in Weddinger Praxis getötet – Polizei sucht Zeugen

Er war ein streitbarer Suchttherapeut, stand noch am Dienstag vor Gericht, weil er einmal Robert Habeck beleidigt haben soll – am Freitag wurde er leblos in seiner Praxis in Wedding aufgefunden. Zwei Tage nach dem gewaltsamen Tod des Berliner Hausarztes Wolfgang Conzelmann bitten Polizei und Staatsanwaltschaft die Bevölkerung nun um Mithilfe bei der Aufklärung des Verbrechens und der Fahndung nach dem noch flüchtigen Täter.

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Am Sonntag veröffentlichten sie einen Zeugenaufruf und stellten dabei folgende Fragen:

  • Wer hat am Freitag, 13. Juni, insbesondere in der Zeit zwischen 13.30 Uhr und 15.45 Uhr eine oder mehrere auffällige Personen beziehungsweise Fahrzeuge im Bereich der Praxis in der Genter Straße wahrgenommen?
  • Wer hatte noch am 13. Juni Kontakt zu Wolfgang Conzelmann?
  • Wer kann sonst sachdienliche Angaben machen?
Mit einem Zeugenaufruf will die Polizei das Verbrechen an dem Weddinger Arzt Wolfgang Conzelmann aufklären.

© Generalstaatsanwaltschaft

Bis Montagmittag seien zwei Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Ermittler seien weiter auf Zeugen angewiesen. Hinweise können an die Ermittlerinnen und Ermittler der 8. Mordkommission des Landeskriminalamts Berlin in der Keithstraße 30 in Tiergarten unter der Telefonnummer (030) 4664-911888 oder per E-Mail an LKA118@polizei.berlin.de gerichtet werden.

Die Polizei sei am Freitagnachmittag gegen 15.40 Uhr zu der Praxis in der Genter Straße nahe dem Leopoldplatz gerufen worden, sagte ein Behördensprecher. Dort hätten Einsatzkräfte den 76-Jährigen leblos vorgefunden. Für die Polizei habe sich beim Anblick der Leiche schnell herausgestellt, dass der Mann keines natürlichen Todes gestorben sei. Reanimationsversuche durch Rettungskräfte vor Ort scheiterten.

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Obduktion bestätigte den Verdacht eines Verbrechens

Eine Obduktion am Samstag bestätigte den Verdacht eines Verbrechens, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Abend mitteilte. Weitere Details, etwa zur Todesursache, nannte er jedoch nicht. Der mutmaßlichen Tötung sei ein Überfall auf die Arztpraxis vorausgegangen, berichtete die „B.Z.“. Dazu wollten sich Polizei und Staatsanwaltschaft bislang nicht äußern. Auch zur Identität des Täters sei noch nichts bekannt.

Es würden Zeugen vernommen und Videoaufnahmen ausgewertet, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft dem Tagesspiegel am Sonntag. Einen Bericht der „B.Z.“, dass die Videoaufnahmen eines Teslas, der in unmittelbarer Nähe des Tatorts geparkt hatte, eine Rolle bei den Ermittlungen spielten, wollte der Sprecher nicht bestätigen. Jedoch seien „alle Videoaufnahmen im Nahbereich Gegenstand der Ermittlungen“.

Die Hausarztpraxis von Wolfgang Conzelmann befindet sich in der Nähe des Leopoldplatzes, einem Brennpunkt der Berliner Drogenszene. Ob es einen Zusammenhang zu dieser gibt, wollte die Staatsanwaltschaft dem Tagesspiegel nicht bestätigen, bekannt sei jedoch, dass der getötete Mediziner in seiner Praxis auch viele Drogenabhängige behandelt hatte.

Conzelmann stritt für eine liberalere Drogenpolitik

Conzelmann hatte sich seit Jahrzehnten in der Versorgung von Suchtkranken engagiert. Seine Praxis befand sich früher in der Luxemburger Straße, direkt am U-Bahnhof Leopoldplatz, seit 2015 praktizierte er in der Genter Straße. Dabei setzte er schon in den 1990er-Jahren auf einen Ansatz der „akzeptierenden Therapie“, wie aus seiner Website hervorgeht.

Dort berichtete er etwa, dass er damals Drogenpatienten, die sich illegal Tabletten beschafften und konsumierten, diese legal in der Praxis verabreichte – im Rahmen einer Therapie. Er sei deshalb seinerzeit in den Blick von Polizei und Justiz geraten. „Ich habe Hunderte von Drogenpatienten erfolgreich therapiert und damit dem Schwarzmarkt und der Drogenmafia entzogen“, wehrte er sich.

Der Mediziner stritt für eine liberalere Drogenpolitik, trat wiederholt bei der „Hanfparade“ als Redner auf. Auch im Fenster seiner Praxis in der Genter Straße hingen Zettel mit politischen Botschaften. „USA befiehlt: Deutschland ruiniert!“, „Krieg ist gut fürs Klima“, „Energie sparen! Regierung abschalten!“ oder „Hungern, Frieren, Inflation, Grüner, Gelber, Roter Wohlstand. Hauptsache Krieg“, war dort etwa zu lesen, wie auf Fotos bei Google zu sehen ist.

„Frieren für den Endsieg“: Verfahren am Dienstag eingestellt

2022 soll Conzelmann bei Facebook ein Bild veröffentlicht haben, das an ein nationalsozialistisches Propagandaplakat aus dem Jahr 1938 erinnerte. Ein Porträt Robert Habecks (Grüne) sei eingefügt worden, dazu die Parole „Frieren für den Endsieg“. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn wegen des Vorwurfs der Beleidigung des damaligen Bundeswirtschaftsministers an, am Dienstag kam es zum Prozess im Amtsgericht Tiergarten.

Conzelmann bestritt die Vorwürfe, weder sei „das Bild eine Straftat noch ich der Urheber“, trug Bibelzitate vor und versicherte: Er sei kein Querdenker, sondern ein Denker. Das Gericht stellte das Verfahren ein, weil die Sache strittig war, der Angeklagte in einem fortgeschrittenen Alter und bislang nicht straffällig geworden sei. (mit dpa)