„Er macht einen müden, aber erleichterten Eindruck“: Polizei fasst 13-Jährigen nach Messerattacke an Grundschule in Berlin-Spandau
Einen Tag nach dem Messerangriff auf einen Zwölfjährigen an einer Berliner Grundschule hat die Polizei den 13-jährigen Tatverdächtigen in Spandau gefasst. Das teilte die Polizei am Freitagnachmittag mit.
Der Junge soll seinen zwölfjährigen Mitschüler an der Grundschule in Spandau am Donnerstagvormittag lebensgefährlich verletzt haben. Mit Fotos und einer Personenbeschreibung des Jugendlichen fahndete die Polizei am Freitag öffentlich nach ihm. Nach entsprechenden Bürgerhinweisen suchte die Polizei in der Altstadt Spandau nach dem Jungen. Zivilfahnder hätten ihn schließlich auf einer Treppe des U-Bahnhofs Rathaus Spandau aufgegriffen.

© dpa/Jörg Carstensen
Der 13-Jährige befindet sich seit Freitag in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Offensichtlich muss etwas bei ihm durcheinandergeraten sein. Da sind nun andere Profis nötig als die Polizei“, sagte ein Polizeisprecher. Äußerlich sei der Junge unversehrt. „Er machte einen müden, aber auch einen erleichterten Eindruck.“
Nach Messerattacke an Berliner Schule: Dem 13-Jährigen droht keine Strafe
Die Polizei stehe in engem Kontakt mit den Eltern, sagte der Sprecher. „Sie tun ihr Möglichstes, um unsere Maßnahmen zu unterstützen.“ Die Eltern des Jungen hatten zuvor eine Vermisstenanzeige aufgegeben, da der 13-Jährige bis dahin nicht zu Hause erschienen sei, teilte die Polizei am Freitagmittag mit. Als der Junge früher mal nicht nach Hause gekommen sei, habe ihn ein Bahnmitarbeiter im Zug gefunden.
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Dem Verdächtigen droht wegen seines jungen Alters keine Strafe. In Deutschland sind Kinder unter 14 Jahren nicht strafmündig. Gleichwohl ermittelt die Polizei ganz normal weiter. Zuständig ist eine Mordkommission, wie es hieß. „Wir erhoffen uns, dass er sich zur Sache einlässt, um die Motivation zu verstehen“, erklärte der Polizeisprecher.
Küchenmesser am Tatort entdeckt
Nach Polizeiangaben soll der 13-Jährige das Opfer auf dem Schulgelände mit einer Stichwaffe am Oberkörper verletzt haben. Am Tatort wurde ein Küchenmesser gefunden, wie die Behörde mitteilte. Zuvor soll es zu einem Streit gekommen sein. Beide Schüler gehen in die sechste Klasse der Grundschule am Weinmeisterhorn in der Daberkowstraße.
Hilfsangebote in Krisensituationen
Der Berliner Jugendnotdienst bietet Hilfsangebote für Jugendliche in Krisensituationen an. Er ist rund um die Uhr unter der Rufnummer (030) 61 00 62 erreichbar.
Der Berliner Krisendienst ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern variieren nach Bezirk, die richtige Durchwahl für Ihren Bezirk finden Sie unter www.berliner-krisendienst.de.
Die Telefonseelsorge bietet einen Hilfe-Chat an. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite unter: www.telefonseelsorge.de. Die Telefonseelsorge ist zudem Tag und Nacht unter dieser Nummer erreichbar: 0800 1110111.
Rettungskräfte brachten den verletzten Jungen ins Krankenhaus, wo er sofort operiert wurde. Der Zustand des Jungen sei stabil, hieß es von der Polizei. Er sei nicht in Lebensgefahr. Es sei aber noch nicht möglich gewesen, den Jungen zu den Ereignissen am Donnerstag zu befragen, sagte ein Polizeisprecher. „Sobald dies medizinisch möglich ist, wird dies geschehen.“
Die Polizei hatte unter anderem mit einem Polizeihubschrauber und Spürhunden nach dem Tatverdächtigen gesucht. Eine erste Spur in eine Grünanlage hinter der Schule verlor sich.
13-Jähriger soll in Umkleide zugestochen haben
Nach Polizeiangaben liegen Anhaltspunkte für ein versuchtes Tötungsdelikt vor, weshalb eine Mordkommission den Fall übernahm. Da es sich bei dem verdächtigen Sechstklässler um ein Kind handelt, würden keine weiteren strafrechtlichen Ermittlungen geführt, sagte ein Polizeisprecher. „Natürlich werden wir auch mit den Maßnahmen der Spurensicherung hier das Ereignis aufhellen, dokumentieren“, hieß es weiter.

© Nick Wilcke
Ein fremdenfeindliches oder religiöses Motiv werde ausgeschlossen. Fragen nach der Motivation des 13-jährigen Tatverdächtigen seien weiterhin Gegenstand des Ermittlungsverfahrens, so auch die Frage nach möglichen Verhaltensauffälligkeiten des Jungen, hieß es. Das Lehrpersonal werde befragt und könne möglicherweise für Aufklärung sorgen. Der mutmaßliche Täter sei noch nicht lange an der Schule gewesen.
Beide Kinder sind laut Polizeiangaben deutsche Staatsangehörige und wohnen in der Umgebung. Der 13-Jährige besitzt laut Informationen der „Morgenpost“ außerdem einen US-amerikanischen Pass.
Ein Mitschüler wurde offenbar Zeuge der Tat
Katja Batinic’ Sohn besucht dieselbe Klasse wie der mutmaßliche Täter und das Opfer. Ihr Sohn habe ihr erzählt, dass die Kinder Streit hatten, sagte die 50-Jährige am Donnerstagnachmittag vor der Schule. Demnach habe ihr Sohn mitbekommen, wie der Tatverdächtige beim Sportunterricht in die Umkleidekabine kam und zustach. Ihr Sohn sei daraufhin aus der Umkleide gelaufen. Es sei bekannt gewesen, dass die beiden Kinder sich nicht besonders mochten, sagte sie.

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„Meinem Sohn geht es okay, er befürchtet, dass er heute nicht gut schläft“, sagte Batinic. Den Tatverdächtigen und seine Eltern kenne sie nicht persönlich. „Wir Eltern sind bekümmert, schockiert und niedergeschlagen“, sagte die Mutter. „Es hätte auch mein Kind treffen können.“
Laut Polizei alarmierten Lehrer am Donnerstag die Polizei und Feuerwehr gegen 11.30 Uhr zu der Grundschule am Weinmeisterhorn. Rettungskräfte und Seelsorger waren vor Ort. Mitschüler hatten den Zwölfjährigen auf dem Schulhof gefunden.

© Nick Wilcke
Die Kriminalpolizei befragte Schüler und Lehrer als Zeugen. Alle anderen Schüler wurden nach Hause geschickt.
Reaktionen auf Messerattacke in Berliner Grundschule
Die Grundschule am Weinmeisterhorn hat mehr als 400 Schüler. Sie liegt in einer ruhigen Einfamilienhausgegend im südlichen Wilhelmstadt, nahe der Grenze zu Brandenburg und an den Rieselfeldern Karolinenhöhe, einem Landschaftsschutzgebiet mit Wiesen und Kanälen.
Wir müssen uns dann auch mal fragen, was wir als Gesellschaft unseren Kindern eigentlich vorleben.
Stephan Weh, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei
Die Bildungsverwaltung zeigte sich tief betroffen von dem Vorfall. Die Schule habe schnell und verantwortungsvoll nach dem Notfallplan gehandelt, betonte die Behörde am Donnerstag. Die Schulleitung stehe im engen Austausch mit den zuständigen Stellen. „Das schulische Krisenteam sowie das Schulpsychologische und inklusionspädagogische Beratungs- und Unterstützungszentrum sind eingebunden und stehen zur Unterstützung zur Verfügung“, hieß es. Die Bildungsverwaltung begleite den Prozess eng und stehe im kontinuierlichen Kontakt mit der Schule. „Senatorin Katharina Günther-Wünsch wird umgehend das persönliche Gespräch mit der Schulleitung suchen.“
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagierte ebenfalls auf den Vorfall: „Wir müssen in unserer Gesellschaft grundsätzlich stärker über die wachsende Gewalt, Gründe und Maßnahmen debattieren“, teilte GdP-Landeschef Stephan Weh mit. „Es ist seit Jahren zu erkennen, dass die Auseinandersetzungen auf Schulhöfen auch mit dem Einsatz von Waffen mehr werden, der Einfluss von Social Media steigt, Kompromissfähigkeit sinkt, wir aber weder das Thema Medienkompetenz fest im Lehrplan verankert noch ein generelles Messerverbot in der Öffentlichkeit haben.“ Weh sagte: „Wir müssen uns dann auch mal fragen, was wir als Gesellschaft unseren Kindern eigentlich vorleben.“
Im vergangenen Jahr hatte es auch an anderen Berliner Schulen Messerangriffe unter Jugendlichen gegeben. An einem Februarabend wurde ein Zehntklässler vor der Fritz-Karsen-Schule in Neukölln von drei Mitschülern aus der neunten Klasse verprügelt. Dabei erlitt er außerdem elf oberflächliche Messerstichverletzungen.
Im Juni gingen ein 16-Jähriger und ein 18-Jähriger auf dem Grünen Campus Malchow in Lichtenberg nach einem Streit gewaltsam aufeinander los. Dabei verletzte der Jüngere den Älteren mit einem Messer am Kopf und Arm. (mit dpa)