850 statt 10.000 Teilnehmer: Querdenken-Demo in Berlin-Mitte deutlich kleiner als erwartet

Deutschlandflaggen, Friedensfahnen und hier und da eine Russlandflagge: Auf der Straße des 17. Juni in Berlin-Tiergarten haben sich am Samstagmittag einige hundert Demonstranten aus dem Querdenker-Milieu versammelt. Offiziell geht es um „Frieden, Freiheit, Volksabstimmung“, so lautet das Motto der Versammlung. Laut Polizeipressesprecher waren gegen 14.20 Uhr rund 650 Menschen am Brandenburger Tor, gegen 16.30 Uhr war die Demonstration den Angaben nach auf etwa 850 Menschen angewachsen.

Ein Blick auf Kleidung und Transparente der Teilnehmer zeigte, um welche Themen es noch ging: Nach wie vor wird die vermeintliche „Corona-Diktatur“ kritisiert, ein Mann trug einen Pullover mit der Aufschrift: „Eure Vielfalt kotzt mich an“. Auf der Bühne wurde ein Ausschnitt aus Charlie Chaplins „Der große Diktator“ abgespielt.

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Gegen 15.50 Uhr setzte sich der Querdenker-Aufzug auf der Straße des 17. Jun in Bewegung. Angeführt wurde er von trommelnden Demonstrierenden im mittleren Alter, einige Reihen dahinter liefen auch junge Neonazis.

Flaggen bei der Demonstration vor dem Brandenburger Tor.

© AFP/Ralf Hirschberger

Auf der Paulsstraße, nah am Schloss Bellevue, stoppte die Polizei die Querdenken-Demo gegen 16.30 Uhr kurzzeitig. Der Grund waren nach Angaben eines Beamten Blockaden von Gegendemonstranten. Etwa 20 Minuten später konnte der Demonstrationszug auf einer leicht geänderten Route weiterziehen. Polizeikräfte umringten die Gegendemonstranten derweil in einer Seitenstraße.

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Während einer Zwischenkundgebung am Hauptbahnhof gruppierten sich offen neonazistische Teilnehmer am Rande der Versammlungsfläche. Die Neonazis sind überwiegend jung, viele kommen nicht aus der Region. Auch ein junger Mann mit dem Logo der militanten Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ auf seiner Vermummung ist dabei.

Gegendemonstranten an der Paulsstraße.

© Dominik Lenze

Gegen 13 Uhr hatte der Sponsor der Versammlung, der Unternehmer und AfD-Großspender Winfried Stöcker, eine Ansprache gehalten. Stöcker kam darin auch auf seine illegale Impfaktion von 2021 zu sprechen. Damals verabreichte er einen nicht zugelassenen, selbst entwickelten Impfstoff. Er glaubt noch immer, der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe dafür gesorgt, dass sein Impfstoff nicht zugelassen wurde. Deshalb meint der Millionär, dass der CDU-Politiker ins Gefängnis gehöre, wofür es Applaus gab.

AfD-Großspender Winfried Stöcker sprach auf der von ihm finanzierten Kundgebung.

© Tsp / Dominik Lenze

Am Schluss seiner Rede verkündete Stöcker, übrigens ein bekennender Trump-Fan, sein angebliches Motto: „Nicht rechts, nicht links, sondern geradeaus“. Das Publikum applaudierte und schwenkte Fahnen, darunter auch eine Flagge der Partei „Die Heimat“ (früher NPD).

Nicht zu übersehen: die Flagge der „Die Heimat“.

© Tsp / Dominik Lenze

In anderen Redebeiträgen wurden offen Verschwörungserzählungen verbreitet: Ein Redner behauptete, die Corona-Impfung diene dazu, Menschen in Maschinen umzuwandeln. „Corona war ein Testballon. Aber der Teufel geht nicht zweimal durch dieselbe Tür“, sagte der Mann. Heute würden seinen Vorstellungen nach die satanischen Mächte durch Antirassismus wirken.

Die kombinierte Deutschland-Russland-Friedensflagge ist im Querdenken-Milieu beliebt.

© Dominik Lenze

Danach verteidigte der Querdenker auf der Bühne die russische Propagandistin Alina Lipp, was vom Publikum mit Jubelrufen goutiert wurde.

Auch AfD-Abgeordnete sprechen

Auch auf der Rednerbühne: Die AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Sichert und Christina Baum sowie der Brandenburgische AfD-Landtagsabgeordnete Dennis Hohloch. Die AfD-Politikerin Baum war eine der am häufigsten zitierten Politikerinnen in dem Gutachten, mit dem das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ und damit verfassungsfeindlich begründete. Darauf nahm sie in ihrer Rede Bezug: „Keine dieser Aussagen nehme ich zurück“ sagte sie, kurz darauf forderte sie Strafen für Politiker – wegen angeblicher „Verbrechen“ in der Corona-Zeit. Sichert zog während seiner Rede sein Anzugoberteil aus und präsentierte ein Shirt mit Grundgesetz-Logo.

Am Rande der Kundgebung waren Plakate wie dieses zu sehen.

© AFP/Ralf Hirschberger

AfD-Spender Stöcker bestätigte im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Rande der Kundgebung seine Kontakte zu den Netzwerken rechtsextremer Financiers: „Gernot Mörig ist ein Freund von mir“, man kenne sich seit mehr als zehn Jahren, sagte Stöcker. Mörig, rechtsextremer Netzwerker und Zahnarzt aus Düsseldorf, hatte zu jenem Treffen in Potsdam eingeladen, das durch die Correctiv-Recherche bundesweit Schlagzeilen machte. Das Treffen soll dem Einwerben von Finanzmitteln für extrem rechte Projekte gedient haben. AfD- und Querdenker-Sponsor Stöcker sieht in all dem kein Problem: „Mit denen habe ich mich öfter getroffen“, sagte er.

Ein Teilnehmer drückt seine Sympathie für die russische Propagandistin Alina Lipp aus.

© Tsp/Dominik Lenze

Besonders gut bei den Demo-Teilnehmern kam Jürgen Elsässer an, Chef des zwischenzeitlich verbotenen „Compact“-Magazins. Er nutzte seine Redezeit dafür, um verschiedene Politikerinnen und Politiker zu beleidigen, vor allem Grüne. Seine Forderung an die Demonstranten: „Alle bleiben in der Offensive“.

„Wir brauchen Menschen, die sich nicht permanent dafür schämen, deutsch zu sein“, rief eine weitere Rednerin von der Bühne. Einige Anhänger junger Neonazis schwenken übergroßer Deutschlandflaggen.

Übergroße Deutschlandflaggen wurden geschwenkt.

© Tsp / Dominik Lenze

Der seit Jahren politisch irrlichternde Ex-Linke Dieter Dehm hielt ebenfalls eine Rede. Er forderte, dass sich „linke und rechte Patrioten“ vereinen, für den „Frieden mit Russland“ und gegen Israel. Die Idee, dass sich Links und Rechts als „Querfront“ gegen „die da oben“ zusammenschließen, ist seit Jahren ein Traum von manchen Rechtsextremen. So propagierte das auch „Compact“-Chef Elsässer. Mit dem Ex-Linken Dehm haben die Rechten einen, wenn auch politisch irrelevanten, Verbündeten gefunden.

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Der Brandenburger Landtagsabgeordnete Lars Hünich (AfD) machte sich auf der Bühne mit den Forderungen der Querdenker gemein: „Wir brauchen die Politikerhaftung“, sagte er. Auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Sichert sagte im Gespräch mit dem Tagesspiegel, die AfD wolle die Haftung für Politiker umsetzen, sobald sie in Regierungsverantwortung sei. Haften sollten Politiker, wenn „das Volk“ durch politische Entscheidungen Schaden nehme.

Auf der Bühne Solidarität mit Terrorverdächtigen

Der ehemalige AfD-Politiker Heinrich Fiechtner forderte die Zuhörer auf, vermeintliche Widerstandsgruppen zu unterstützen, zum Beispiel „die Rollatorgang, die sicher vieles wollten“. Damit ist die terrorverdächtige Gruppierung um den Immobilien-Unternehmer Heinrich XXIII. Prinz Reuß gemeint. Die Reichsbürger-Gruppe hatte Waffen gehortet und soll einen Angriff auf den Bundestag geplant haben. Aktuell läuft der Prozess gegen die Tatverdächtigen.

Heinrich Fiechtner rief während der Corona-Zeit zu Anschlägen auf.

© Tsp / Demonik Lenze

Nicht nur Ex-AfD-Mann Fiechtner solidarisierte sich mit der terrorverdächtigen Reuß-Gruppe: Auf der Straße des 17. Juni trugen Teilnehmende ein Banner, das den Ex-Polizisten und Querdenker Michael Fritsch zeigt. Fritsch gehört zu den Angeklagten im Prozess gegen die mutmaßliche Terrorgruppe. Laut NDR soll Fritsch, der bei Querdenkern als Held gilt, zum „terroristischen Arm“ der Gruppe gezählt haben. Auf Nachfrage sagte einer der Bannerträger, er glaube nicht, dass Fritsche Teil einer Terrorgruppe sei.

Am Rande der Versammlung bauten mehrere Parteien ihre Stände auf: AfD, WerteUnion und die Querdenker-Partei „Die Basis“ waren vertreten. Der Stand des rechtsextremen „Compact“-Magazins und der AfD standen direkt nebeneinander.

Ab 19 Uhr war die Abschlusskundgebung der Kundgebung vorgesehen.

„Deutschland steht auf“ fordert beispielsweise vereinfachte Verfahren für Volksentscheide und einen verpflichtenden Volksentscheid für Verfassungsänderungen. Das Bündnis setzt sich dafür ein, Steuerverschwendung als Veruntreuung strafrechtlich zu verfolgen und das Recht auf Bargeld in der Verfassung zu verankern. (mit dpa)